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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und nachher an demselben wieder aufwärts schlich; so vermied ich es, von der Böschungshöhe zu kommen, wurde vom Schein des Feuers nicht getroffen und konnte also nicht gesehen werden. Aber das erforderte Zeit, mehr Zeit, als ich meiner Ansicht nach zu diesen nebensächlichen oder gar überflüssigen Vorbereitungen verwenden durfte. Vielleicht kam ich doch auch gleich hier unbemerkt hinab, und vielleicht hatte die Sandböschung doch mehr Halt, als ich dachte, denn es gab verschiedene dunklere Punkte in derselben, welche ich für Steine oder sonstige festere Stellen nahm, deren Färbung sich von der helleren des Sandes abhob. Grad vor mir, ganz in der Nähe, gab es zwei solche Stellen und seitwärts wieder drei. Aber wenn ich die Nebenumstände in Erwägung zog, war es doch besser, wenn ich mich zu dem erwähnten Umweg entschloß, und so kroch ich denn langsam weiter.
    Durch diese Bewegung geschah es, daß ich die zwei mir vorhin nahe liegenden Punkte in einigen Augenblicken erreichte. Ich wollte an ihnen vorüber, hielt aber still, denn sie bewegten sich! Kamen diese Steine etwa durch den von mir verursachten Druck mit dem Böschungssand ins Rollen? Nein, es waren ja gar keine Steine, sondern es fuhren vier Arme plötzlich aus dem Sand heraus, ebenso viele Hände klammerten sich um meinen Hals und meine Oberarme, und eine Stimme rief:
    „Lahaun, lahaun, ia ridschal – hierher, hierher, ihr Männer! Wir haben ihn; haltet ihn fest, sehr fest!“
    Man glaube nicht, daß ich erschrocken sei; ich war solche Überraschungen gewohnt; aber diese hier kam so schnell über mich, daß ich keine einzige Sekunde zur Gegenwehr bekam. An Hals und Armen festgehalten, wollte ich mich aufschnellen; es gelang mir auch, mich von dem einen loszureißen; ich kam halb empor und wollte nach dem andern fassen; da aber warf mir der erstere zwei Hände voll Sand in das Gesicht; eine Unzahl dieser Körnchen drang mir in die Augen; meine Hände wurden dadurch natürlich von dem Feind ab und nach den gefährdeten Augen gelenkt, und dadurch ging mir der erlangte Vorteil sofort wieder verloren. Das Sehvermögen war mir genommen und damit auch die Möglichkeit, mich meinen Gegnern zu entziehen; es kamen mehrere dazu; ich hörte wohl zehn, zwölf verschiedene Stimmen durcheinander schreien. Ich wurde am ganzen Körper gepackt, wieder niedergerissen, gebunden und erst die Böschung hinab und dann durch das Gebüsch geschleift, bis man mich am Feuer lang auf die Erde warf.

DRITTES KAPITEL
    Osman Pascha
    Lieber Leser, hast du vielleicht einmal die Augen so voller Sand gehabt, daß auch nicht ein einziges Körnchen mehr Platz gefunden hätte? Nein? Ich auch nicht alle Tage, dafür aber damals so gründlich wie nur möglich. Ich will nicht behaupten, daß dadurch ein gefährlicher Zustand hervorgerufen werde, aber unangenehm, höchst unangenehm ist er auf alle Fälle. Und wenn man dazu gefesselt ist, so daß man den geblendeten Augen nicht mit den Händen zu Hilfe kommen kann, und sich von Menschen umgeben weiß, denen alles andere, nur nichts Gutes, ja sogar das Schlimmste zuzutrauen ist, so ist das nichts weniger als eine Erleichterung zu nennen.
    Wie ich mich zu verhalten hatte, darüber brauchte ich nicht erst lange nachzudenken. Ich hatte ruhig zu bleiben und nichts zu sagen, sondern nur auf das zu achten, was gesprochen wurde. Was meine Augen betraf, so mußte ich es der augenblicklich höchst energischen Tätigkeit der Tränendrüsen überlassen, sie nach und nach von dem Sand zu befreien. Wenn das geschehen war und ich wieder sehen konnte, dann mußte es sich finden, was ich weiter zu tun hatte. Zunächst durfte ich mir sagen, daß ich mich sehr wahrscheinlich ganz in der Nähe meines lieben Halef befand, was aber keineswegs eine wohltuende Beruhigung für mich war, da ich aus Erfahrung wußte, daß es leichter ist, sich selbst allein, als außerdem auch noch einen zweiten aus einer solchen Lage, wie unsere jetzige war, zu befreien.
    Während mir die sandigen Tränen immerfort über die Wangen rannen, verfolgte ich mit größter Aufmerksamkeit, was um mich her gesprochen wurde. Es entging mir kein einziges Wort, denn es fiel keinem Menschen ein, so leise zu sprechen, daß ich es nicht gehört hätte.
    „Welch ein Fang!“ sagte einer, den ich an seiner Stimme als den Pädär-i-Baharat erkannte. „Noch heut sind wir ihnen begegnet und mußten glauben, daß sie nach Bagdad wollten; wir gaben unsere Rache schon verloren; da sind sie uns in

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