21 - Stille Wasser
Computerausdruck...
»Nein, nein, nein... verdammt!«
Frustriert knallte Lee den Blätterstapel auf den Tisch und riss den Arm empor, als wollte er zu einem Schlag ausholen.
Beherrschung, rief er sich selbst zur Räson, Beherrschung.
Langsam ließ er den Arm wieder sinken, zwang sich, ruhig zu atmen, bis der plötzlich aufwallende Anfall von Zorn vorüber war.
»Dr. Lee?«
Ein zerzauster Blondschopf tauchte in der Schiebetür auf, die den Fahrerraum vom Rest des Labors trennte. »Stimmt was nicht?«
Beherrschung, ermahnte sich Lee noch einmal und schüttelte lächelnd den Kopf. »Alles in Ordnung, Ritchie. Nur ein frustrierter Biologe. Es scheint, dass uns, so sehr wir uns auch bemühen, immer noch zu viele durch die Lappen gehen.«
Ritchie nickte verständnisvoll. »Ja, ich weiß. Man fühlt sich irgendwie persönlich betroffen.«
Oh, du hast ja keine Ahnung, dachte Lee, als seine studentische Hilfskraft aus dem Wagen kletterte, um sich in das Motelzimmer zurückzuziehen, in dem er für die Dauer des Einsatzes untergebracht war. Du hast ja nicht die geringste Ahnung, wie persönlich diese Angelegenheit werden kann...
Und ich bete, dass du es niemals erfahren wirst.
8
Die Vampirfrau erwachte, entwand sich der zähen Umklammerung ihres Unterbewusstseins und blinzelte träge mit Augen, die sich nicht öffnen wollten. In ihrem früheren Leben war sie drahtig und durchtrainiert gewesen, eine talentierte Turnerin mit olympischen Qualitäten. Doch nun, als sie sich mühsam aufrichtete, ein Bein unter das andere schlug, um auf die Füße zu kommen, war von dem Glanz vergangener Tage nur mehr wenig zu sehen. Sie lauschte in die Stille hinein, im Mund den Geschmack abgestandener Luft, und nahm den Geruch anderer Vampire wahr, die in der Nähe einen Schlafplatz gefunden hatten, wo sie friedlich der herannahenden Nacht entgegenträumten. Während der Stunden des grellen Tageslichts herrschte unausgesprochene Waffenruhe.
Es hatte etwas Beruhigendes, dass sie auf diese Weise immer wieder zusammenfanden, obwohl später, wenn die Nacht hereingebrochen war, jeder für sich allein auf die Jagd gehen würde. Doch sobald die Sonne ihr flammendes Zepter erhob, kamen sie wieder hierher, um sich, beschützt von den dicken Wänden und Stahltoren der verlassenen und vergessenen Kläranlage, ein wenig wohlverdiente Ruhe zu gönnen.
Tageslicht. Sie streckte sich und stieß ein Fauchen aus. Über ihr, draußen, ging die Sonne bereits unter. Doch sie konnte ihre unheilvolle Kraft immer noch spüren, sie durchdrang ihre Haut, brannte in ihren Adern. Obwohl dieser Ort sicher war. Voller Gestank zwar und abstoßend, aber dunkel. Es bestand keine Gefahr, dass irgendein Sonnenstrahl sich hierher verirrte –
Sie erstarrte, die Arme noch halb ausgestreckt, mitten in der Bewegung. Ihre raubtierhaften Sinne schlugen Alarm, teilten ihr mit, dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
Geräusche, ein schwacher Geruch, etwas bewegte sich, kroch an den Wänden entlang, störte den trägen Fluss der übel riechenden Ströme, die sich durch die Abwasserkanäle direkt unter ihnen wälzten. Etwas Lebendiges. Etwas, das nicht hierher gehörte.
»Alarm!«, brüllte sie heraus, sprang mit einem Satz los und stolperte prompt über einen anderen Vampir, der sich auf einer Palette zu ihren Füßen zum Schlafen hingelegt hatte.
Sie konnte sich gerade früh genug wieder aufrappeln, um zu sehen, wie etwa ein Dutzend schattenhafter Gestalten in den Raum hineinstürmte und über das Nest hereinbrach. Die anderen Vampire kamen schlaftrunken auf die Beine und hatten kaum eine Chance, ihre Lage zu erfassen, bevor die Fremden auch schon über ihnen waren. Fangzähne blitzten auf, scharfe Klauen rissen an Muskeln und Sehnen, grünes Merrowblut und rotes Vampirblut flossen in Strömen, gleichermaßen schwarz im Halbdunkel des Raumes. Niemand schrie, niemand brüllte. Knurrend und fauchend schlugen sie aufeinander ein und bissen sich fest.
Und starben.
Für einige von ihnen eine völlig neue Erfahrung. Für andere ein alter Hut.
Die Luft war angenehm, kühl, doch nicht kalt, und Willow hielt behaglich ihr Gesicht in die milde Abendbrise. Die Momente, in denen sie nach Einbruch der Dämmerung noch draußen sitzen und einfach nur den Augenblick genießen konnte, waren in letzter Zeit äußerst rar gewesen. Doch die Vordertür des Hauses, in dem Buffy und ihre Mutter lebten, stand sperrangelweit auf, für den Fall, dass irgendetwas Unvorhergesehenes
Weitere Kostenlose Bücher