21 - Stille Wasser
spreche mit so vielen Gruppen; ich fürchte, ich komme allmählich ein wenig durcheinander.« Er wandte sich den anderen zu und stellte sich mit einstudiertem Lächeln vor: »Mein Name ist Dr. Julian Lee und wie Sie den Andeutungen der jungen Lady vielleicht bereits entnehmen konnten, bin ich hier, um der örtlichen E.L.F.-Gruppe bei der Beseitigung der Schäden zu helfen, die durch den Ölteppich entstanden sind.«
»Tatsache ist«, fuhr er, den Blick auf Giles gerichtet, fort, »dass ich so lange in Sunnydale zu verweilen gedenke, bis auch die letzten Auswirkungen der Ölpest wieder bereinigt sind.«
Giles zog kaum wahrnehmbar die Stirn kraus. »Ein zweifellos ehrenwertes Ziel, doch ich verstehe nicht ganz, wieso sie ausgerechnet zu uns gekommen sind. Ich meine, schließlich ist dies eine High-School-Bibliothek.«
»Ja, ich weiß. Ich hatte gehofft, hier vielleicht...« Er machte eine Pause. »Ich benötige Einsicht in Zeitungsartikel über die Pinnipedia-Population an dieser Küste, am besten aus den letzten zwanzig bis dreißig Jahren.«
»Pinni...?«
Lee drehte sich zu Buffy um. »Meeressäugetiere, zum Beispiel Robben und Seelöwen. Ich habe bei einigen Schwärmen diverse Abweichungen von den üblichen Verhaltensmustern festgestellt und nun möchte ich meine Beobachtungen gern ein wenig untermauern.«
»Hier?« Xander machte ein skeptisches Gesicht. »Was ist nicht in Ordnung mit der öffentlichen Bücherei?«
Dr. Lee zögerte, als suchte er nach den richtigen Worten. »Ich fürchte, die öffentliche Bibliothek erfüllt, trotz des wirklich beeindruckenden Gebäudes, in dem sie untergebracht ist, nicht ganz den Standard, der für eine seriöse wissenschaftliche Recherche vonnöten ist. Und die Nutzung des zwar lückenlosen zeitungseigenen Archivs ist leider mit einigem bürokratischen Aufwand verbunden. Ich sprach in der Stadtbücherei mit einer jungen Dame, die mir den Tipp gegeben hat, es hier zu versuchen. Anscheinend genießt die High-School-Bibliothek den Ruf, ausgesprochen gut sortiert zu sein.«
»Ah.« Giles schien verwirrt, doch nicht minder erfreut. »Natürlich. Lassen Sie mich nur rasch einen Blick in unsere Datenbank werfen, dann werden wir sehen, ob wir Ihnen möglicherweise weiterhelfen können.« Giles lotste Dr. Lee mit viel Geschick zu dem verhassten Computerterminal – und fort von dem Potpourri magischer Ingredienzien, das immer noch den Büchertisch verunzierte –, und stierte einige bange Sekunden lang mit leerem Blick auf die Tatstatur, bevor ihm schließlich doch noch einfiel, mit welchem Befehl sich die Datenbank aufrufen ließ.
Während die beiden Männer die auf dem Bildschirm erscheinenden Suchergebnisse studierten, flüsterte Buffy Willow zu: »Da ist doch was faul. Okay, ich meine, wir wissen, dass Giles hier so ziemlich alles bunkert, was jemals geschrieben worden ist, aber warum hat dieser Kerl es so verdammt eilig, an seine Informationen zu kommen? Noch dazu an Informationen über Seehunde?«
Willows Augen wurden zusehends größer. »Ariel? Du glaubst, dass er –“
»Schhh! Ich hab keine Ahnung. Zumindest glaube ich nicht, dass er irgendetwas anderes als ein Mensch ist.«
Wo sonst als in Sunnydale könnte man so etwas sagen und es zudem auch noch so meinen?
»Natürlich ist er ein Mensch!«, regte sich Willow auf. »Er – er ist Biologe! Er hilft bei solchen Sachen wie der Ölpest!«
Und das macht ihn automatisch zu einem netten Kerl.
Doch diesen Gedanken sprach Buffy nicht aus. Genau genommen sagte sie gar nichts mehr. Stattdessen schaute sie wie unbeteiligt zu Dr. Lee hinüber und tat so, als würde sie sich nicht im Geringsten für ihn interessieren. Er schien von den Artikeln, die Giles ihm präsentierte, aufrichtig fasziniert zu sein und Buffy konnte Satzfetzen wie »typisches Verhalten von Hafenrobben« oder »Seehund oder Seelöwe?« aufschnappen.
Dennoch hätte sie schwören können, dass Dr. Lee seit geraumer Zeit schon mit seinen Gedanken ganz woanders war als bei den Zeitungsberichten, die Giles für ihn herausgesucht hatte. Es war ein irgendwie merkwürdiges Gefühl, als besäße er ein zweites Paar Augen im Hinterkopf oder wie sie eine Art innere Antenne, die er auf irgendetwas Bestimmtes ausgerichtet hatte, das er hier zu finden hoffte, was immer es auch sein mochte.
Nur schien seine Antenne mitnichten stark genug zu sein, um ihm die Anwesenheit von Ariel zu verraten oder seine Aufmerksamkeit auf das Fell zu lenken, das – grundgütiger
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