2108 - Samahos Erbe
führte ihren Finger von ihrem Mund zu seinen Lippen, als letzten, zarten KUSS, als versöhnliche Geste vor dem Abschied. Sie ging, ohne sich noch einmal umzusehen.
*
Die Wochen waren an Shoy Carampo und Basch Fatingard nicht spurlos vorübergegangen. Sie waren beide ein gutes Stück gewachsen, sowohl körperlich wie auch geistig. Weiterhin waren sie unzertrennlich, und sie ließen sich auch nicht mehr bevormunden. Nach einem neuerlichen Streit mit seiner Mutter hatte Shoy sich nach einem eigenen Quartier umgesehen, und noch am selben Tag war Basch zu ihm gezogen. Lord-Eunuch Crom Harkanvolter ließ sie daraufhin umgehend zu sich rufen und nahm die beiden streng ins Gebet.
„Ihr stört die Ordnung und den Frieden", warf er den beiden Heranwachsenden vor.
„Das tut mir Leid", sagte Shoy. „Aber wenn nicht so viel Aufhebens darum gemacht würde, würde es vermutlich gar keinem auffallen. Viele Mom'Serimer in meinem Alter suchen sich ein eigenes Quartier."
„Das Problem ist, dass ihr auch weiterhin unbefugt unsere Sektion verlasst. Ihr missachtet alle Regeln und Gesetze, und das kann ich einfach nicht dulden." Das Befinden des Lord-Eunuchen hatte sich noch verschlechtert.
Alt und eingefallen saß er auf seinem Stuhl, jede Bewegung kostete ihn Kraft. Sein Gesicht verzog sich häufig vor Schmerz. „Bedeutet euch denn euer Volk gar nichts?"
Shoy schlug die braunen, grün gesprenkelten Augen nieder. „Doch. Alles, Lord-Eunuch. Aber du kannst uns doch nicht einsperren. Wir hatten in NACHT-Acht mehr Bewegungsfreiheit als hier."
„Achtest du mich so gering, dass ich nicht weiß, was ich tue?", fragte Crom mit leisem, traurigem Vorwurf.
„Oder weshalb antwortest du mir hartnäckig in Interkosmo, obwohl ich dich in Frendo-Prom anspreche?"
Basch schien den Tränen nahe. „Wie kannst du das nur glauben? Du bist bei allen hoch geachtet, der Lord-Eunuch! Wir verehren dich!"
„Ja", stimmte Shoy zu, blieb aber in Interkosmo. „Wir verehren dich aufrichtig."
„Weshalb stellt ihr dann alle meine Entscheidungen in Frage?"
„Weil sie vielleicht überdacht werden müssen. Denn ich glaube, dass wir lernen müssen, uns anzupassen, wenn wir das Überleben unseres Volkes sichern wollen. Wir müssen lernen, Lord-Eunuch! Aber nicht die Historie unseres Volkes, das seit achtzehn Millionen Jahren vergangen ist. Sie kann uns heute nicht weiterhelfen."
Crom seufzte. „Du bist so widerspenstig, Shoy Carampo. Warum willst du nicht einsehen, dass ich ein Ziel damit bezwecke? Ich muss dir nicht alles auf einmal offenbaren. Du wirst sehen, dass ich langfristig denke und plane, denn ich war es, der das Volk überredete, die NACHT zu verlassen. Ich habe die Verantwortung für die Überlebenden, die mit mir gingen, und ich muss und werde die Zukunft sichern. Du aber, Shoy, bist nichts als ein Heißsporn, ein Draufgänger, der nur an sein Vergnügen denkt. Sobald du deinen ersten Hormonschub bekommst, wirst du alles andere vergessen, und du wirst wankelmütig, emotional labil sein und mehr denn je an dich denken, vielleicht noch an dein Kind, das du zeugen wirst. Aber ich bin für sehr viel mehr verantwortlich und ich bin unbestechlich, da ich ein Eunuch bin. In meiner Stabilität und Weisheit bin ich dir stets weit voraus."
„Du tust mir unrecht", sagte Shoy betroffen.
„Dann erklär mir, weshalb du dich weigerst, meine Anweisungen zu akzeptieren. Wie mir vermeldet wurde, gehst du so gut wie gar nicht mehr zum Unterricht!"
„Die Indoktrinatos können mir nichts mehr beibringen, Lord-Eunuch." Shoy sah Basch an, der zustimmend mit beiden Gehirntentakeln nickte. Dann rückte der junge Mom'Serimer mit der Wahrheit heraus: „Wir erhalten seit einiger Zeit anderen Unterricht. Icho Tolot, ein Haluter und Unsterblicher hier an Bord, ist ein Wissenschaftler in der Milchstraße. Du kennst ihn sicher, er war in NACHT-Acht. Er ist uralt... unwahrscheinlich alt, und besitzt ein großes Wissen. Vor einigen Monaten haben wir Kontakt zum Computer der SOL aufgenommen. Er heißt SENECA und hat versprochen, uns zu helfen, und wir haben ihn darum gebeten, uns etwas über die Technik der Terraner zu erzählen. Und eines Tages ist Icho Tolot dazugekommen."
„Wir haben uns erst ein wenig gefürchtet", sprach Basch dazwischen. „Denn er ist dreimal so groß wie wir und sehr mächtig. Aber er war von Anfang an sehr freundlich zu uns und hat vorgeschlagen, uns etwas über das Universum zu erzählen. Er hat schon sehr viel gesehen." Seine
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