2110 - Der Gute Geist von Wassermal
abzukürzen, indem ich den Park durchquerte. Leider war es weniger ein Park denn ein Dschungel voller dicht verfilztem und stacheligem Unterholz. Zwar sahen die fremdartigen Pflanzen reizvoll aus und waren teilweise von großen, weißen, süßlich duftenden Blüten bedeckt, doch verwehrten sie mir erfolgreich jedes Durchkommen.
So musste ich wohl oder übel den Kiesweg benutzen, der wegen seiner ausgedehnten Serpentinen mindestens zwei Kilometer brauchte, um eine Höhendifferenz von etwa dreißig Metern zu überwinden.
Ich war ungefähr neunzig Meter höher gekommen, als sich hinter der nächsten Biegung der Weg verbreiterte und zu einer flachen, kiesbedeckten Mulde von rund fünf Metern Durchmesser senkte.
Unwillkürlich erstarrte ich, denn die Mulde war nicht leer. In ihr lag ein humanoides Wesen, gekleidet in eine blaue Uniform und die Füße in tiefblauen Stiefeln.
Der Fremde war mir nur zu gut bekannt - auch wenn er in einem gläsernen Sarg gelegen hatte, als ich ihm zum ersten Mal begegnete.
Die Augen standen immer noch offen, genau wie zuletzt im Labor der SOL - aber sie waren nicht mehr blicklos, sondern voller Leben und Wachsamkeit.
Ich bewegte mich nicht, denn ich wollte den geringsten Anschein von Aggressivität vermeiden.
Doch der Fremde richtete sich plötzlich auf. So, wie er sich dabei bewegte, mit seiner hellen Haut und dem langen hellblonden Haar, verriet er sowohl Kraft als auch große Geschmeidigkeit.
Mit einem Automatismus, der sich in Jahrtausenden voller Gefahren herausgebildet hatte, stufte ich den Fremden trotz seiner geringeren Größe als mir körperlich zumindest ebenbürtig ein.
Und wahrscheinlich ebenso kampferprobt!, teilte mir mein Extrasinn mit.
Im nächsten Moment wirbelte der Fremde herum, entdeckte mich und verhielt in typischer Lauerstellung.
Sein Instinkt musste ihm meine Anwesenheit verraten haben, bevor er mich sah.
Ich lächelte - selbstverständlich mit geschlossenen Lippen, denn das Zeigen der Zähne galt nicht nur bei manchen Tieren als Zeichen von Aggressivität - und hob meine Hände zu der universellen Friedensgeste.
Seine Augen, die zuerst Überraschung und dann Kampfbereitschaft verraten hatten, reagierten wunschgemäß - und er bedeutete mir mit der gleichen Geste seinen Friedenswillen.
Für ihn kam die Begegnung genauso unverhofft wie für dich!, analysierte mein Extrasinn. Offenkundig hat er demnach ebenso wenig mit den Vorgängen zu tun wie du. Ihr seid beide gekidnappt worden.
Vom Guten Geist von Wassermal?
Wer weiß! Schon möglich.
Es hatte wenig Sinn, dass wir uns länger stumm anstarrten. Jemand musste den Bann brechen. Ich ... Und ich würde Interkosmo sprechen. Da der Fremde humanoid war wie ich, bestand immerhin die Möglichkeit einer Verwandtschaft unserer Völker - wenn auch um viele Ecken -, und da war es möglich, dass er schon mal mit Interkosmo in Berührung gekommen war.
„Mein Name ist Atlan", sagte ich und zeigte auf mich. „Wir sind von meinem Schiff hierher verschlagen worden. Was weißt du darüber?"
Er blickte mich verständnislos an, dann antwortete er: „Mein Name ist Sershan Contagi Peiragon."
Ich dachte, mich trifft der Schlag.
Nicht etwa, weil mir der Name ungeheuerlich vorkam, sondern der Sprache wegen, die der Fremde gesprochen hatte. Die Sprache der Sieben Mächtigen!
Ich schloss unwillkürlich die Augen, als die Erinnerungen mich überkamen.
Kemoauc, Bardioc, Partoc, Murcon, Ariolc, Lorvorc und Ganerc hatten sie geheißen, die Beauftragten der Kosmokraten, die den Bund der Zeitlosen bildeten. Sie alle waren hochgewachsen, fast zwei Meter groß, breitschultrig und muskulös und von unerreichtem Ebenmaß.
Die Gesichter waren großflächig und wirkten edel, die helle Hautfarbe kontrastierte angenehm zu dem dunklen und bis auf die Schultern wallendem Haar - und ihre Augen waren von so extrem lichtloser Schwärze wie kannibalische Black Holes, die unzählige Sonnen verschlungen hatten.
Sie waren vor langer Zeit übergangslos in ihren Kosmischen Burgen erwacht und dem RUF der Kosmokraten gefolgt. Sie hatten den Bau des Schwarms veranlasst. Mit ihm und den Biophoren der Sporenschiffe sollten Leben und Intelligenz im Universum verbreitet werden.
Nach Millionen Jahren waren sie eines mehr oder weniger gewaltsamen Todes gestorben - bis auf Kemoauc, der im Jahr 3587 von den Kosmokraten in den Bereich jenseits der Materiequellen abberufen worden war.
Kein Zweifel, die Sieben Mächtigen hatten eines der größten
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