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2113 - Gefangen in der Zitadelle

Titel: 2113 - Gefangen in der Zitadelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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verspürte.
    Aber auch das hatte ich mir anfangs nicht erklären können. Dieses Gefühl war mir völlig unbekannt, und ich konnte es einfach nicht einschätzen.
    Dann jedoch war es mir wie Schuppen von den Haaren gefallen.
    Mein Brustgesicht, mit dem ich meine Mimik ausdrückte, war in den letzten Wochen immer mehr angeschwollen. Es schien regelrecht aus meiner Brust herauszuwachsen. Und auch der rudimentäre Körper, der unterhalb des Brustgesichtes zu sehen war, schwoll täglich weiter an.
    „Tratto", sagte ich, „mir ist eine Art... Unfall passiert. Ich bin fern der Heimat aus unerklärlichen Gründen schwanger geworden."
    „Wie kann das sein?", fragte Tratto fassungslos, und ihre Stimme kam mir noch höher vor als sonst.
    „Du hast seit Jahren keinen anderen Pombaren mehr berührt!"
    Ja, fragte auch ich mich, wie konnte das geschehen?
     
    *
     
    „Wenn ein Pombare seine Zeit kommen fühlt", sagte ich, „wenn das Alter und das Umfeld stimmen, dann entwickelt das Brustgesicht allmählich eine eigene Seele. Dann wächst der Körper langsam heran ..."
    Und das Schutzbedürfnis des Elters erhöht sich bis zur Paranoia, fügte ich in Gedanken hinzu, und es darf alles passieren, nur kein Schlag vor die Brust.
    Was übrigens eine reine Zivilisations-Paranoia war. Ich wusste genau, dass der heranwachsende Brustleib im Allgemeinen äußerst widerstandsfähig war, aber das änderte nichts daran, dass mein hormonelles Gleichgewicht völlig durcheinander geraten war. Schon jetzt, in diesem frühen Stadium, ertappte ich mich, wie ich mich ständig nach unsichtbaren und gar nicht vorhandenen Gefahren und Bedrohungen umsah.
    „Dein Alter mag ja stimmen", sagte Tratto und berührte mich zärtlich mit einer Pranke, als wolle sie mich trösten, „aber das Umfeld...?"
    „Ich verstehe es selbst nicht ..." Ich verstummte. Vielleicht log ich mir nur etwas vor. Vielleicht verstand ich es doch.
    Kann es sein, dass ich mich damit abgefunden habe, auf der ZIGZAG zu bleiben? Dass ich hier meine Erfüllung und das Umfeld gefunden habe, nach dem ich mich immer gesehnt habe?
    „Was wird nun geschehen?"
    „Der Brustkörper wird sich im Verlauf von sieben Monaten vollständig ausbilden und dann vom Hauptkörper abnabeln." Und danach konnte es Jahre dauern, bis ich ein neues Brustgesicht und einen neuen Brustkörper entwickelte. Falls überhaupt. Ich fürchtete mich schon jetzt vor der kargen Mimik eines Elters, dem zur mimischen Unterstützung das Brustgesicht fehlte. Wie sollte ich mich meiner Umwelt im Jahr nach der Geburt verständlich machen?
    „Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen, Ikanema? Ihr Pombaren seid eingeschlechtlich. Der genetische Austausch findet bei euch durch Berührung statt. So nehmt ihr fremde genetische Bestandteile auf, die von Blutrezeptoren in den Brustkörper transportiert werden."
    Ich glaubte, die Antwort darauf zu kennen. „Das genetische Austauschmaterial, das an sich für die Empfängnis notwendig ist, habe ich offenbar seit dem Aufbruch von Pombar mit mir getragen, und nun wurde es in meinem Körper aktiv ..."
    Aber ich konnte es trotzdem nicht fassen. Ich würde tatsächlich einem Kind das Leben schenken, und das zur absoluten Unzeit.
    Ich hatte Angst. „Tratto", sagte ich, „wie soll ich an Bord der ZIGZAG meinen Pflichten als Elter auch nur ansatzweise gerecht werden? Wie soll ich ein Kind erziehen? Oder erst einmal am Leben halten?"
    Trattos Blick kündete von absoluter Ratlosigkeit.
     
    *
     
    Ich weihte Pirguso in mein Geheimnis ein.
    Ich musste mit ihm darüber sprechen, ihn informieren, denn zumindest der Kommandant musste erfahren, wieso ich mich auf einmal so seltsam verhielt.
    Plötzlich glaubte ich, dass mich alle Besatzungsmitglieder insgeheim beobachteten. Wenn jemand mir einen offenen Blick zuwarf, fauchte ich. Wenn jemand mir zu nahe kam, wich ich zurück. Wenn jemand eine schnelle Bewegung machte, sprang ich zur Seite.
    Alle Besatzungsmitglieder waren für mich potentielle Feinde. Sie alle konnten mir das nehmen, was mir nun am wichtigsten war - das Kind an meiner Brust.
    Ich schlich durch die ZIGZAG, immer sprungbereit, die Arme vor der Brust verschränkt. Ich führte meine Pflichten nur noch unkonzentriert aus, machte Fehler bei Kursberechnungen. Mir unterliefen die dilettantischsten Irrtümer an der Steuerung, und ich fragte mich, wann Pirguso mich endgültig aus der Zentrale abziehen würde.
    Und ich fragte mich unentwegt, was werden sollte, aus mir und meinem Kind,

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