2122 - Die Prinzenkrieger
Soner ihn ansah, umspielte ein seltsames Lächeln dessen Mund. Es wirkte ein wenig süffisant, hämisch beinahe, und Soner fragte sich, ob er Schadenfreude darüber empfinden könnte, was ihm, dem Prinzen, nun bevorstand. Aber warum Schadenfreude?
Als der Pfauchonische Prophet Riddyn durch das ferne Portal gegenüber dem Thron den Thronsaal betrat, legte sich das Stimmengemurmel und heilige Stille kehrte ein. Nur Riddyns leise, regelmäßige Schritte waren zu hören, mit denen er sich dem Thron näherte. Er trug eine kostbar geschmückte Schatulle in den erhobenen Händen und seine Augen waren starr auf Soner gerichtet.
Der Prinz versuchte den Kloß zu schlucken, der ihm im Hals steckte ... gleich war es soweit!
Als Riddyn vor der Treppe zum Thron anhielt, ging Soner die vorgeschriebenen Schritte nach vorne und wandte sich dem Herrn des Lichts zu, ohne ihm jedoch in die Augen zu sehen. Soner hörte, wie in seinem Rücken Riddyn die neun Stufen hochstieg und dann neben ihm stehen blieb.
Riddyn forderte den Prinzen in der Ehrensprache auf, sich für die Entgegennahme des Saltan bereit zu machen. Soner antwortete, dass er bereit sei. Daraufhin kniete er nieder, legte den hochgestellten Kragen um, so dass sein Nacken frei war. Alle konnten nun sehen, dass sein Hinterkopf eine frisch rasierte Tonsur aufwies. Das war die Stelle, an der ihm der Saltan angesetzt werden würde.
Prinz Soner neigte nun das Haupt in die Waagrechte, so dass er nur noch den Boden zu seinen Füßen sehen konnte. Aus den Augenwinkeln konnte er jedoch sehen, wie Riddyn die Schatulle auf den Boden stellte und ihr ein etwa 50 Zentimeter langes Haarteil entnahm. Mit Entsetzen stellte Soner fest, dass das vermeintliche Haarteil sich an einem Ende bewegte, wie in animalischer Lust zuckte und einen Rüssel, der in einer nadelfeinen Spitze endete, hin und her peitschte.
Der Saltan war ein Tier!
Im selben Moment setzte Riddyn den Saltan an. Soner verspürte einen schmerzhaften Stich, als sich der Parasit über seinem Nacken mit dem Rüssel einen Weg in seinen Schädel bohrte. Eine Schmerzwoge explodierte an dieser Stelle und breitete sich über Soners ganzen Körper aus.
Er dachte, er müsse das Bewusstsein verlieren, ja, er hoffte es beinahe. Doch diese Gnade wurde ihm nicht zuteil. Er erlebte es bei voller Besinnung, wie sich der Parasit tiefer und tiefer in seinen Schädel bohrte, wie er sich wild und ungestüm seinen Weg fraß ... saugte ...
Soner hätte laut schreien wollen, um auf diese Weise den rasenden Wogen des Schmerzes entgegenzuwirken. Aber das bisschen Restverstand, das er sich trotz all der Qual bewahrt hatte, sagte ihm, dass er keinen Laut von sich geben durfte. Er musste die schmerzvolle Prüfung ohne einen Laut über sich ergehen lassen. Denn ein Prinz, der solche Schmerzen nicht ertrug, war dieses Titels nicht würdig. Und wenn er versagte, hätte sein Vater wohl keine andere Wahl gehabt, als ihm das Leben zu nehmen.
So ertrug Soner mit zusammengebissenen Zähnen und angespannten Muskeln das Toben des Saltan-Parasiten. Nahm es stumm hin, dass dieses tobende Untier sich in seinem Schädel ausbreitete, ihm vielleicht das Gehirn aussaugte, sein Ich auffraß, ihn völlig vereinnahmte, bis nur noch die leere Hülle seines Körpers übrig blieb.
Er hörte dicht an seinem Ohr den Propheten Riddyn in der Sprache der Ehre sagen, dass er keine weltliche Pein mehr zu fürchten habe und seine Ehre nie verlieren könne, wenn er diese Schmerzen ertrug und überlebte. „Die Welt hat dann keine Schrecken mehr für dich, denn Schlimmeres als dies kann dir nicht mehr widerfahren."
Soner bekam mit, wie er auf einer Schwebeliege aus dem Thronsaal gebracht wurde. Er dachte, es könne keine Steigergung seiner Qualen mehr geben und dass alles bald ein Ende haben werde.
Aber für ihn begann erst ein endlos scheinendes Martyrium.
*
In den folgenden Tagen war Prinz Soner wie betäubt von dem permanenten Schmerz. Er nahm nichts um sich bewusst wahr, wusste nicht, wo er sich befand und was mit ihm geschah.
Manchmal glaubte er, die Gegenwart von Prinzenkrieger Marca wahrzunehmen. Er gab krächzende, gutturale Laute von sich, die aggressiv und zornig klangen. Soner wusste jedoch, dass sie das nicht waren, denn sein Vater redete in der Ehrensprache auf ihn ein. Nur konnte Soner kein Wort verstehen, es war, als hätte er verlernt, die Sprache der Ehre zu verstehen ... als habe der Saltan-Parasit dieses Wissen aus ihm ausgesagt.
Dann wieder
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