2122 - Die Prinzenkrieger
Verbindungsschlauch, der in einer Nadel endete. Diese Nadel setzte er an Soners Armbeuge an, und dann sah der Prinz, wie aus der Flasche Flüssigkeit durch den Schlauch zu fließen begann. Sie ernährten ihn auf diese Weise künstlich.
Gut so, dachte Soner. Er hatte in Wirklichkeit gar nichts dagegen, dass er bei Kräften blieb, ganz im Gegenteil. Er wollte mit der Essensverweigerung bloß seine Widerstandsbereitschaft zeigen.
Nachdem der Inhalt der Flasche geleert war, brachte der Vermummte sie aus dem Raum. Er kam nicht mehr zurück, und Soner blieb mit einer Wache allein. Der Prinz blickte ihm in die grinsende Maske und fixierte die Augen hinter den Bioplastschlitzen. Er starrte den Maskierten so lange an, bis dieser unruhig wurde, sich abwandte und nervös auf und ab ging, nur um ihn nicht ansehen zu müssen.
Nach geraumer Weile öffnete sich wieder die Stahltür, und ein anderer Vermummter trat ein, der die gleiche grinsende Bioplastmaske trug. Wachablöse. Soner schätzte, dass der neue Wachtposten zwei Stunden bei ihm blieb, bevor er von einem anderen abgelöst wurde.
Soner wiederholte mit jedem Wachtposten das Spiel mit dem Augenkontakt. Und jeder reagierte unterschiedlich. Es war nur ein Einziger darunter, der sich von ihm nervös machen ließ.
Die meisten anderen reagierten mit Schlägen ins Gesicht. Einer griff ihm zwischen die Beine und drückte fest zu, dass Soner die Augen hervorquollen. Dazu sagte er: „Schau mich an, du Bastard! Jetzt gefällt mir dein Blick."
Ein anderer wiederum packte Soner am Saltan und zog so fest daran, dass Soner meinte, er wolle ihm den „Parasiten" ausreißen. Diese Handlungsweise ließ Soner vermuten, dass dieser Wachtposten selbst ein Saltanträger war.
Einmal am Tag wurde Soner für eine Stunde von zwei Wachen betreut. Das war immer dann, wenn man seine Fessel löste und er den Stuhl verlassen durfte. Er bekam stattdessen einen Halsring, der mit einer drei Meter langen Energieleine verbunden war. An dieser wurde Soner in dem feuchten Verließ im Kreise geführt. Bei dieser Gelegenheit durfte er sogar Gymnastikübungen machen. Wenn er dabei jedoch einem seiner Wächter zu nahe kam, teilte der Halsring schmerzhafte Stromstöße aus, die ihn vorübergehend lahmten.
Soner fand heraus, dass insgesamt elf verschiedene Wachtposten ihn betreuten, die jeder ihre speziellen Eigenheiten hatten. Wenn sie paarweise auftraten, taten sie das nicht immer in der gleichen Konstellation, sondern vermischten sich.
Er gab seinen Wächtern Nummern. Nummer eins bekam jener Posten, der seinem Blick hatte nicht standhalten können. Ein anderer Schwachpunkt unter seinen Wächtern war jener, der aufbrausend und jähzornig war und der Soner regelmäßig grundlos schlug, wenn er Wache hatte; er bekam die Nummer zwei.
Der mutmaßliche Saltanträger bekam die Nummer acht - er erschien Soner als der gefährlichste von allen.
Soner machte acht solcher Schichtwechsel durch, ohne dass sich an seiner fatalen Lage etwas änderte und ohne, dass sich seine Wächter eine Blöße gaben. Aber Soner wartete geduldig auf seine Chance, die sich ihm irgendwann bieten würde. Denn je länger seine Haft dauerte, desto mehr wurde sie für seine Häscher zur Routine.
Prinz Soner wunderte sich ohnehin, dass seine Gefangenschaft bereits so lange dauerte, nach seiner Berechnung bereits neun Tage. Denn eines stand für ihn fest: Hinter seiner Entführung konnte nur die Organisation der Koshy-Shyna stecken. Diese Geißel der Ukkhar, dieses Ungeheuer mit den sechzehn Köpfen, das Kazién schon seit Pfauchonengedenken in ihren Klauen hielt. Das dunkle Gegenstück zum Herrn des Lichts.
Soner konnte sich vorstellen, wie das lief: Man versuchte den Prinzenkrieger Marca unter Androhung seines Todes zu erpressen. Und da er, Prinz Soner, noch lebte, schien zu beweisen, dass sein Vater gewillt war, auf die Forderungen der Koshy-Shyna einzugehen.
Eigentlich hätte sich der Prinzenkrieger diesen Verbrechern nie beugen dürfen. Aber Prinzenkrieger Marca war alt. Und er hatte Soner zu verstehen gegeben, dass er nach dem Tod seiner Mutter nicht gewillt war, sich eine neue Gefährtin zu suchen. Soner war sein einziger Sohn und Thronerbe. Darum würde er alles tun, um sein Leben zu retten.
Und darin - dass ihn die Koshy-Shyna überhaupt am Leben ließ - sah der Prinz seine größte Chance.
Mit zunehmender Dauer seiner Gefangenschaft schwand die Wachsamkeit seiner Häscher.
Beim zehnten Schichtwechsel ergab es sich, dass
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