2141 - Der verlorene Wurm
du unter völligem Stress zusammenbrichst, weil du die an dich gestellten Forderungen nicht erfüllen kannst."
„Aber gebt mir doch wenigstens die Chance, mich zu beweisen!", hatte Keito nachdrücklich gefordert. „Die hast du bekommen, und das Ergebnis ist uns in bester Erinnerung", wurde er dann abgeschmettert. „An den Schäden arbeiten wir jetzt noch."
„Wollt ihr damit sagen, dass ich dumm bin?"
„Nein. Aber nicht ausreichend talentiert."Es war natürlich alles erlogen; Keito war gewiss nicht unfähig. Immer gab es allerdings jemanden, der ihm keinen Erfolg gönnen wollte und dafür sorgte, dass er beim Qualifizierungstest durchfiel. Aber er konnte nichts dagegen tun, er schwamm allein gegen den Strom an. Eines Tages hatte Keito genug. Selbst die Jüngsten kamen schneller voran als er; er wurde immer weiter nach hinten geschoben und degradiert statt befördert. Und man gab ihm die Schuld an allem Unglück, allen Schäden.
„Alles, was du kannst, ist etwas kaputtzumachen!", hatte ihn eine junge Aarus einmal angeschrien, als ein Bauteil zusammengebrochen war und ihren Freund unter sich begraben hatte. Da hatte er die Erleuchtung bekommen. Wenn es so ist, dachte Keito damals, wenn ihr glaubt, dass es das ist, was ich kann und was ich wirklich gut kann dann werde ich es machen.
Von nun an betätigte Keito sich als Saboteur. Er hatte es satt, der ewig Ausgestoßene zu sein, hinter dem Wurm herschwimmen zu müssen. Er drehte die Flossen einfach um. Keito begann nun gezielt, Anlagen zu beschädigen, Fließbänder zu stoppen und Material verschwinden zu lassen. Aber natürlich so geschickt, dass der Verdacht nie auf ihn fiel. Seine „Opfer", die als Schuldige herhalten mussten, waren stets willkürlich ausgesucht, denn Keito hasste jeden, egal wie jung oder alt er war, egal, wie lange er schon in F-04 arbeitete.
So entwickelte sich Keito doch zum Meister. Er entwickelte Intrigen, manipulierte Maschinen oder Aarus, und verspritzte sein Gift, wo immer er hinkam. Man vermutete bald, dass er hinter all den Anschlägen steckte, aber man konnte ihm nie etwas beweisen. Und so einfach ließ er sich nicht fortschicken, er lebte längst in „der Alten". Wann er sie das letzte Mal verlassen hatte, wusste er nicht mehr. Die Fabrik War seine Heimstatt, er kannte sie besser als jeder andere. Wie ein Schatten ging er dort um, verschwand manchmal für längere Zeit, dass man schon Hoffnung schöpfte, er sei endlich gestorben. Aber dann tauchte er wieder auf und versetzte Neulinge, die ihren ersten Rundgang in einer Sektion begannen, in Angst und Schrecken.
Keitos Körper war bedingt durch die Schwerkraft, der er sich selbst fast permanent aussetzte, in der Größe zusammengeschrumpft und dafür in die Breite gegangen, vor allem um die Leibesmitte: Bleich und schwabbelig, so schob er die schwere Masse durch die Gänge, auf gekrümmten, angeschwollenen Beinen. Das Exoskelett stabilisierte gerade noch so, dass er unter dem Druck nicht zusammenbrach und erstickte; sein Rücken war krumm und deformiert und an manchen Stellen so eingefallen, dass man den Grätenansatz erkennen konnte. Selbst seine Balkennase schien leicht nach unten gebogen; die Zähne waren teils gelb, teils schwarz verfault, was einen üblen Mundgeruch verursachte.
Keito störte sich nicht daran, als „Gespenst" bezeichnet zu werden. Jedes positive Gefühl war längst in ihm abgestorben, ihn trieb nur noch der eine Gedanke, wie er am besten Schaden anrichten konnte. Trotz seines erschreckenden Äußeren war er noch bei erstaunlich guter Gesundheit, und abgesehen von gelegentlichem Muskelzittern hatte er keine Schmerzen. Sosehr man auch suchen mochte, man konnte nichts beschönigen: Keito war von Grund auf boshaft, vermutlich schon sein ganzes Leben lang, zerfressen von Missgunst und Abneigung gegen jeden anderen.
Kurz vor der Abberufung in die Fensterstation wurde Keito schließlich eröffnet, dass die Geduld für ihn erschöpft sei. Ein neuer Rescote hatte die Autorität übernommen und entschieden, dass er nach Abschluss der Arbeiten und Rückkehr zum Dienst F-04 zu verlassen hatte - für immer. Keito hatte nichts dazu gesagt. Allein der Gedanke, dass alle, selbst der jüngste Lehrling, in die Fensterstation befohlen worden waren und er als Einziger zurückblieb, hatte ihn zu blinder Raserei getrieben, die er nur mühsam im Zaum hielt. Wenn seine Zähne noch in takt gewesen wären, hätte er den Mund ausgestülpt und dem Wichtigtuer von Rescoten, der
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