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215 - Die Macht des Sehers

215 - Die Macht des Sehers

Titel: 215 - Die Macht des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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in de Roziers Abwesenheit die Stadt verwaltet. Auf Matt wirkte er bedrückt und zerknirscht. Auch wenn er behauptet hatte, mit Stadt und Volk stünde alles zum Besten – irgendetwas stimmte nicht.
    An der runden Speisetafel nahm der Mann gegenüber des Kaisers zwischen seiner Nichte und de Fouché Platz. Matthew Drax saß als Ehrengast rechts des Kaisers, Prinz Akfat zur Linken seines Vaters.
    »Ihr macht mir einen recht betrübten Eindruck, Ord Bunaaga«, sprach de Rozier seinen Berater während des Essens an. »Wir müssten Uns schon sehr täuschen, wenn Ihr guter Dinge sein solltet. Gibt es da womöglich etwas, das Wir wissen sollten?«
    Ord Bunaaga druckste ein wenig herum, bevor er endlich damit herausrückte, dass er schwerwiegende gesundheitliche Probleme hatte. »Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden, Euer Excellenz.« Er blickte sich um, beugte sich vor und sprach mit gesenkter Stimme weiter: »Nur so viel zunächst – die Heiler haben bei mir ein böses Geschwür diagnostiziert. Unter vier Augen werde ich Euch selbstverständlich mehr darüber berichten.«
    Der Kaiser nickte verständnisvoll. Dr. Aksela – sie saß neben Tala und hatte mitgehört – versprach dem kaiserlichen Berater, ihn anderntags zu untersuchen. Minuten später, direkt nach dem Essen, erhob sie sich von der Tafel und eilte aus dem Speisesaal. Matt Drax hatte mitbekommen, dass sie das Anti-Serum ins Haus der Heiler bringen wollte. Die Serienproduktion sollte so rasch wie möglich anlaufen.
    Der Kaiser griff zu einem Silberlöffel und schlug ihn ein paar Mal gegen sein Weinglas. Das Stimmengewirr und Gelächter im Saal verstummte rasch. Pilatre de Rozier stand auf, räusperte sich und blickte in die Runde.
    »Es ist Uns eine ganz besondere Freude, wenn nun Unsere erste Amtshandlung nach der Rückkehr in Unsere geliebte Hauptstadt darin besteht, einen der treusten Beamten des Reiches in jenes verantwortungsvolle Amt zu versetzen, das er schon seit längerem kommissarisch und mit großer Umsicht als Sonderbeauftragter für Militärisches verwaltet und de facto inne hat.« Er richtete seinen Blick auf de Fouché und rief:
    »Hiermit ernennen Wir Monsieur Pierre de Fouché offiziell zu Unserem neuen Kriegsminister!«
    Applaus und Bravo-Rufe brandeten auf. De Fouché erhob sich und winkte mit gekünsteltem Lächeln nach allen Seiten.
    Vermutlich wollte er würdevoll erscheinen. Er reichte dem Kaiser die Hand und bedankte sich.
    Danach sagte der Kaiser ein paar Worte zum Vorgänger de Fouchés, einem Mann namens Wabo Ngaaba. Es wurde ein kleiner Nachruf in sehr gedämpfter Tonlage, und einige Frauen und Männer an der Tafel fingen tatsächlich an zu weinen. Nach und nach begriff Matt Drax: Der ehemalige Kriegsminister, der ihm aus de Roziers Erzählung noch greifbar vor Augen stand, war in der Großen Grube verschollen. Kein Mensch wusste, ob er noch lebte, aber die Chance dafür war – vor allem nach dem Einsturz des ganzen Gebiets – verschwindend gering.
    Nach der Trauerrede hellte sich de Roziers Miene wieder auf. Er klatschte in die Hände und rief: »Und jetzt feiert unseren neuen Minister!«
    Hurrarufe und ausgelassener Applaus waren die Antwort auf diese Ankündigung. Danach geschah, was Matt schon kannte, und was vermutlich häufig geschah, wenn der Kaiser persönlich irgendwo auftauchte: Diener zogen einen Wagen mit einem Fass in den Saal, Sektkelche wurden gefüllt, eine Kapelle spielte auf.
    Der Mann aus der Vergangenheit beobachtete die ganze Zeremonie als Außenstehender, während er die ganze Zeit daran denken musste, dass Pilatre de Rozier höchstwahrscheinlich nur noch dreiundzwanzig Tage zu leben hatte. Dass irgendwann nach dem Zeitsprung ein plötzlicher Alterungsprozess einsetzte, war unleugbar; die Geschehnisse auf der U.S.S. HOPE hatten es bewiesen. [7]
    Ob die Fünfzig-Jahre-Frist für den Tachyonen-Abbau auf den Tag genau abzurechnen war, wusste er zwar nicht, aber ein paar Tage oder Wochen mehr oder weniger machten es auch nicht besser. Im Gegenteil war zu befürchten, dass es jederzeit geschehen konnte, auch hier und jetzt, in der nächsten Minute schon. Bei diesem Gedanken lief es Matt eiskalt über den Rücken.
    Vorhin hatte er noch einmal versucht, de Rozier auf das heikle Thema anzusprechen, aber in all dem Trubel war das natürlich aussichtslos gewesen. Und auch jetzt fand er keine Gelegenheit dazu.
    Zwei Stunden später, nachdem er die Tafel aufgehoben hatte, beugte sich de Rozier zu Matt. »Sie

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