215 - Die Macht des Sehers
ihm erklärte, dass die Eier der Mitte des 17. Jahrhunderts ausgestorbenen Elefantenvögel ein Volumen von neun Litern gefasst hatten.
Er richtete das Fernrohr auf den Wagen selbst. »Da sitzt ein Weißer auf dem Kutschbock…«, sagte er überrascht. »Ein Gefangener, wie es aussieht. Die anderen beiden halten ihn fest. Kannst du noch tiefer gehen, Pilatre?«
Gleich nach dem Ende des Orkans waren sie aufgebrochen.
Das noch immer stark geschwächte Mädchen hatten sie im Hausboot zurückgelassen. Sie würden Keetje später abholen.
De Rozier senkte das Luftschiff bis auf unter hundertfünfzig Meter ab. Es flog eine Schleife und näherte sich dem gepanzerten Reitertross und dem Wagen schließlich von Norden her. Die Kolonne hielt an, die Reiter schlossen die Visiere ihrer Rüstungen und blickten zur Roziere hinauf.
Einige Gepanzerte legten Pfeile in ihre Armbrüste.
Matt Drax betrachtete den weißen Mann auf dem Kutschbock ganz genau. Er hatte ein kantiges Gesicht. Seine bleichen Züge wirkten gequält, sein langes graues Haar schien feucht zu sein, denn es klebte ihm in der Stirn und auf den Wangen. Matt erkannte ihn erst auf den zweiten Blick.
»Das ist er«, sagte er heiser. »Das ist wahrhaftig Yann Haggard!« Auch der Seher starrte zu ihnen herauf. »Ich möchte wissen, was sie mit ihm vorhaben…«
»Ist das jetzt noch important, mon ami?«, fragte de Rozier.
Er arbeitete wie ein Wilder, um die Geschwindigkeit zu drosseln. Er wollte das Luftschiff stoppen, bevor es über den Kriegstross und den Wagen hinweg flog. Auf einmal klackerte es unter ihnen – die ersten Pfeile prallten bereits gegen die Außenwand der Gondel.
»Nein, ist es nicht.« Matt Drax steckte das Fernrohr weg.
»Wichtig ist nur, dass wir Yann Haggard da rausholen und ihn so schnell wie möglich an Bord kriegen.«
Gemeinsam öffneten sie die Bodenluke des kaiserlichen Luftschiffs. Sie klappten den Deckel zurück und spähten hinab.
Die Roziere glitt langsam über der Spitze des Kriegstrosses hinweg. Nacheinander prallten erneut drei Pfeile gegen den Unterboden.
»Ich muss wieder ein Stück hinauf.« De Rozier stand auf.
»Wenn sie uns den Ballon zerschießen, ist niemandem geholfen.« Er trat an die Armaturen.
»Nein!« Matt stand auf und ging zu den Kisten mit den Waffen. »Geh lieber noch tiefer! Hörst du? Ich greife sie mit den Glasbomben an! Steuere das Schiff so, dass ich von der Luke aus nicht den Wagen, sondern ausschließlich diese Eisenmänner erwische! Ich will sie vertreiben!«
De Rozier stutzte und schnitt eine skeptische Miene. Doch dann tat er, was Matt Drax verlangte.
Matt zog die Kiste mit den Molotow-Cocktails heran. Er griff nach der ersten Flasche, legte sich auf den Bauch, entzündete den aus dem Flaschenhals ragenden Lappen, zielte und ließ sie fallen.
Während der Brandsatz in die Tiefe rauschte, erinnerte er sich dunkel, dass man mehr als sechshundert Jahre zuvor die ersten Bomben aus den ersten Flugzeugen auf ähnliche Weise ins Ziel gebracht hatte. »Willkommen in der Zukunft«, murmelte er.
Die Glasbombe schlug zwischen den gepanzerten Reitern auf und explodierte. Die Reitvögel spritzten auseinander. Einer der Eisenmänner stürzte aus dem Sattel. Matt schnappte sich den nächsten Brandsatz, setzte die Lunte in Brand und warf ihn ab. Und dann einen nach dem anderen, fünfzehn insgesamt.
Die Wirkung war verheerend: Die Reitvögel gerieten in Panik, einige warfen ihre Reiter ab und galoppierten zum Fluss; wer sich im Sattel halten konnte, trieb seinen Vogel in die Deckung irgendeines Baumes, irgendeines Busches oder floh zurück zur Festung; und keiner der Schwerbewaffneten dort unten dachte noch daran, seine Armbrust zu benutzen.
Matt Drax äugte aus der Luke. Keine fünfzig Meter über dem Boden schwebte das Luftschiff jetzt noch; über dem Boden und über dem Wagen. Auf dem Kutschbock saß einsam und verlassen Yann Haggard. War er gefesselt?
Seine beiden Bewacher hatten sich unter dem Wagen verkrochen. Das Vogelgespann davor flatterte mit den kurzen Flügeln und hüpfte auf und ab, doch da alle Tiere in verschiedene Richtungen am Joch zerrten, bewegte sich der Wagen nicht.
»Eine Strickleiter!«, rief Matt Drax. »Gehört eine Strickleiter zur Ausrüstung, Pilatre?!«
»Trop dangereux, mon ami!« De Rozier hob abwehrend die Hände. »Spiel nicht mit deinem Leben!«
Also gab es so ein Ding an Bord! »Her damit!«, verlangte Matt Drax.
Angesichts der energischen Forderung seines Gefährten
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