2151 - Zentrum der Inquisition
Kabelende peitschte herum. Der Pombare reagierte zu spät.
Er riss gerade noch abwehrend die Arme hoch, als das Unheil auf ihn zu zuckte, dann berührte ihn das blanke Ende. Eine zweite, heftigere Entladung flammte auf, ein blauroter Feuerball, der den Pombaren in eine lodernde Fackel verwandelte und durch die Luft schleuderte. Er war vermutlich sofort tot. Obwohl kein Ton übertragen wurde, glaubte Tess, einen Schrei zu hören, als das Vogelwesen beherzt nach vorne sprang und zupackte. Nur einen Meter unterhalb des blanken Endes schlang es beide Arme um den Strang, schaffte es so, die Pendelbewegung zum Stillstand zu bringen.
Mit beiden Beinen stemmte sich das Vogelwesen ab. Deutlich war zu sehen, dass ihm der Kropf schwoll und die Federn sich abspreizten, dann stieß er das Energie führende Kabelende mit aller Kraft vorwärts. Tess Qumisha hielt den Atem an, Grek ließ einen Laut der Überraschung vernehmen. „Der Fluchtversuch war geplant", behauptete Benjameen. Das Kabelende rammte den Schweberobot, der die Gruppe beaufsichtigte. Die Bildwiedergabe wurde vom Bordrechner mit Maßeinblendungen unterstützt. Es handelte sich um ein knapp zwei Meterhohes Ellipsoid. Die Hülle bestand aus Trasaan, einer strukturverdichteten Metalllegierung. Ein handbreites silbernes Band umspannte den stählernen Leib. Es handelte sich um ein Aggregateband, aus dem Tentakelarme ausgefahren werden konnten. Zusätzlich zu den beiden schon erkennbaren, in Greifklauen endenden Armen zuckten zwei weitere Gliedmaßen hervor, als das Kabel den Roboter traf. Im ersten Moment geschah gar nichts. Aber dann brachen Entladungen aus dem Rumpf hervor, bläulich irisierende, unstete Blitze, die innerhalb von Sekunden den Roboter wie einengmaschiges Netz einhüllten. Wo immer diese Energien sich berührten, verschmolzen sie zu kugelförmigen Ballungen, die den Stahl aufglühen ließen.
Gut zehn Sekunden dauerte es, bevor der Roboter in einer letzten irrlichternden Entladung auseinander gerissen wurde. Das Vogelwesen und die anderen seiner Arbeitsgruppe hetzten da schon durch die Baustelle. Die Bildwiedergabe wechselte sofort in einen größeren Erfassungsbereich.
Schüsse fielen. Sie galten nicht den Fliehenden, sondern anderen Robotern und zwei Valentern, die soeben im Hintergrund erschienen. Dass einige Sklaven plötzlich über Waffen verfügten, schloss jeden Zufall aus. Vorübergehend verschwand das Vogelwesen hinter halb hohen Mauerschalen. Als es Sekunden später wieder zum Vorschein kam, hing es quer über einem Gefährt. Das Ding bestand aus einem beidseits mit Griffschalen versehenen Stab, an den mittig ein höchstens dreißig Zentimeter langer Kasten angeflanscht war. Dieser Kasten erzeugte das Formenergiefeld, das das bäuchlings in der Luft hängende Vogelwesen von unten stützte und ihm den nötigen Halt bot. Unter dem Energiefeld waberte ein fahles Leuchten, vermutlich eine Mischung aus Antigrav und Vortrieb.
Die Griffschalen enthielten alle notwendigen Steuerelemente. Mit halsbrecherischen Flugmanövern raste der Flüchtling quer durch die Baustelle. Erst als er das Spinnenwesen schon fast erreicht hatte, wurde seine Absicht deutlich. Der andere war ein geschickter Kletterer, hatte sich an einer Säule empor in die begonnene nächste Etage geflüchtet und setzte mit einem Sprung über gut drei Meter Abgrund hinweg über. Das Fahrzeug schwankte bedrohlich, als die zusätzliche Last abzufangen war. Mit vier ihrer acht Gliedmaßen umklammerte die Spinne das Vogelwesen, dann ging die irre Jagd von neuem los.
Nahezu senkrecht stieß das Fahrzeug in die Höhe, wich mehreren Robotern aus und raste in wilden Schlangenlinien um meterdicke Stützsäulen herum, die wie bleiche Knochen in den Himmel ragten. Einige Strahlschüsse verfehlten es nur um Haaresbreite, dann ließ es die Baustelle endgültig hinter sich und jagte dicht über die Hügel hinweg. Die anderen Sklaven hatten weniger Glück. Etliche starben im Feuer der Roboter und der Valenter, von denen es auf einmal nur so wimmelte, die Überlebenden wurden wie eine Herde Tiere zusammengetrieben. „Die Gegner der Inquisition sind unsere Verbündeten", sagte Benjameen da Jacinta tonlos. „Es ist Zeit, den beiden beizustehen." Tess nickte stumm.
Ein Blick zur Seite zeigte ihr, dass Grek noch immer wie erstarrt wirkte, als hätte ihn der Aufstand der Arbeitssklaven mehr beeindruckt als alles andere zuvor. Im Schutz des Deflektorschirms folgte der Shift den Fliehenden und schloss
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