2156 - Stimme des Propheten
nicht der Nächste ist, der nicht mehr erwacht. Wir haben uns umgehört, und es ist überall dieselbe Situation. Es herrscht Ratlosigkeit."
„Vor allem ist mir aufgefallen, wie voll der Zug nach Moond war."
„Ja, es finden wahre Pilgerzüge statt. Bald werden wir nicht mehr wissen, wo wir all die Leute unterbringen sollen. Sie suchen Rat beim Cleros und behaupten, vom ehemaligen Tempel des Kummerog unwiderstehlich angezogen zu werden. Es treibt sie förmlich hierher."
„Das kann ich nur bestätigen, Yai. Auch ohne meinen Bruder wäre ich wahrscheinlich hierher gekommen. Ich kann es nicht erklären, was es ist... wie ein innerer Zwang. Wo wird das hinführen?"
„So war es schon einmal", sagte Yai leise. „Ich hatte gehofft, es für immer verdrängen, vergessen zu können.
Schatten verfolgten uns damals wie heute, und wir begannen damals wie heute im Schlaf zu sterben. Es darf nicht noch einmal geschehen ..."
Ein paar Stunden später kam Viorel Zagi nach Hause. Er war über zwei Meter lang und selbst für einen Herreach sehr hager, mit einem vorstehenden, leicht gekrümmten Nas-Organ und hellen, fast gelblich glühenden Augen. Viorel besaß eine anziehende Ausstrahlung, die ihm unwillkürlich Aufmerksamkeit sicherte, wo immer er in Erscheinung trat. Seine Wortwahl war stets sehr sorgfältig und konnte - wenn ihm ein Thema lag - äußerst ausschweifend werden. Wie Caljono Yai trug er eine dunkelblaue Kutte ohne jegliche Abzeichen. Siorel Hani hatte den Eindruck, dass er müde war.
Sie hatte ihren Bruder jahrzehntelang nicht gesehen. Die Begrüßung fiel trotzdem eher förmlich aus, wie bei den Herreach so üblich, und man ging zur Tagesordnung über, als wäre man. sich erst gestern das letzte Mal begegnet. „Ich habe einen Termin beim herrachischen Funk", berichtete der Philosoph der Familie. „Ich habe eine öffentliche Ansage zu machen, denn mir ist eine ... ja, Erleuchtung gekommen."
Siorel Hanis Nas-Organ plusterte sich überrascht auf. „Wie meinst du das?"
„Zagi hatte schon früher Eingebungen, die erstaunlicherweise zutrafen", mischte sich Caljono Yai ein. „Er war auch einer der Initiatoren für die Kristallverzierungen an unseren Häusern." Das bedeutete, dass Viorel Zagi den Aberglauben bei den Herreach eingeführt hatte. Siorel war dies nicht bekannt bewesen. Sie wusste nur, dass man früher so etwas nicht gekannt hatte. Siorel Hani sah aber die Wirkung der Kristalle ein. Jedenfalls fühlte sich in dem Haus zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder einigermaßen sicher. Dennoch passte es nicht zusammen; Hanis Bruder war in jeder Hinsicht ein ungewöhnlicher Herreach und ganz anders als sie. Unwillkürlich fragte sie sich, wie er ihr Vollbruder sein konnte, denn beide hatten denselben Vater und dieselbe Mutter. „Dann bist du jetzt nicht nur Philosoph, sondern auch ein Prophet?"In Hanis Stimme klang ein verstecktes Lachen mit. Sie empfand diese ganze Situation fast als absurd. „So ist es", bestätigte Viorel Zagi. Seine Stimme klang sehr ernsthaft. „Ich sehe unseren künftigen Weg genau vor mir."
Zagis Ansprache Die Sendung mit Viorel Zagis Ankündigung sollte am nächsten Tag nach dem Morgengebet stattfinden. Kaum ein Herreach würde diese Ansprache versäumen. Am Ende des Gebets wurde auf den Philosophen umgeblendet. Er brauchte sich nicht besonders in Szene zu setzen, da seine Wirkung auch über Trivid unvermindert stark war. „Ich will mich nicht lange mit Vorreden aufhalten", begann er. „Wir alle wissen, worum es geht. Wir sterben. Was immer auch auf dieser Welt geschieht, wird uns den Untergang bringen.
Die Ursache braucht nicht lange gesucht zu werden: Etwas Böses geht vom Pilz dom aus, und selbst die Überwachung der Terraner wird den Untergang unseres Volkes nicht verhindern können. Es handelt sich nicht um einen greifbaren, fassbaren Feind. Unsere Träume sind im Augenblick die Vorboten, die Gewissheit, dass das Böse sein Auge auf Trokan gerichtet hat. Ich glaube nicht, dass unser Volk das eigentliche Ziel ist. Es handelt sich um eine Auseinandersetzung auf höherer Ebene, in die wir als Leidtragende mit einbezogen werden.
Solange wir hier bleiben ... Es gibt eine Lösung für unser Volk.
Wir haben mit den Auseinandersetzungen der Terraner, die sie mit anderen Mächten austragen, nichts zu tun. Wir nehmen am kosmischen Spiel nicht teil. Unser Volk hat seit jeher zurückgezogen gelebt, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Unsere Welt hat sich
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