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2156 - Stimme des Propheten

Titel: 2156 - Stimme des Propheten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Knirschen und Knacken der Knochen unter dem Fundament der endlosen Stadt hören. Andere empfanden eine eisige Kälte bei dem Gedanken an die schwarzen Löcher oder sengende Hitze, wenn der allumfassende Kreis aus Licht sich in ihrem Gehirn ausbreitete und alles andere auslöschte. Es war, als lebten sie gleichzeitig in zwei Ebenen - wobei die surreale Ebene unter dem Eindruck des mentalen Einflusses stetig an Stärke gewann. Im realen Leben hatten die Herreach das Gefühl, allmählich dahinzuschwinden. Es kam so weit, dass manche ihren Verstand verloren und halb blind durch die Gassen von Moond irrten. Dabei murmelten sie pausenlos das, was ihr inneres Auge sah, vor sich hin. Sie fanden den Weg in die Realität nicht mehr zurück, die Bilder in ihrem Verstand hielten sie gefangen. Die Medikerin Janda Kolowa meldete sich bei Presto Go. Die Terraner wollten mit ihrer Erlaubnis an jedem Verkehrsknotenpunkt mobile Stützpunkte errichten, um die Verwirrten einzusammeln und sie wenigstens mit Nahrung zu versorgen. Mehr konnten die Mediker ohnehin nicht tun. Wer sich einmal in den Visionen verloren hatte, dessen Verstand kehrte nie mehr von der surrealen Ebene zurück.
    Die Oberste Künderin hatte nichts dagegen. Sie betrachtete die Entwicklung mit stetig wachsender Sorge. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie froh, einen Teil der Verantwortung delegieren zu können. Sie kannte Janda Kolowa seit ihrer Ankunft und hatte Vertrauen zu der tatkräftigen, im Wesen aber eher sanften und zurückhaltenden Frau gefasst. „Tut, was ihr für richtig haltet, nur beendet endlich das Sterben", sagte die alte Herreach mit einem Anflug von Resignation. „Es ist schrecklich, nach so langer Zeit mit ansehen zu müssen, wie das eigene Volk zugrunde geht."
    Janda Kolowa, die Alaska Saedelaere zur ständigen Unterstützung hatte, setzte sich mit allen Kräften ein. Das wissenschaftliche Team war ununterbrochen im Einsatz, während sich Einrichtungen des Militärs um die Grundversorgung kümmerten. „Da ist es noch leichter zu sterben", bemerkte Siorel Hani eines Tages bitter, als sie gemeinsam auf dem Weg zum Markt waren und an einer Ecke eine Gruppe Terraner stehen sahen, die beruhigend auf Herreach einredeten. „Bist du da sicher?", erwiderte Latine Cur. „Woher willst du wissen, dass es dann vorbei ist? Vielleicht stirbt nur dein Körper, aber dein Geist wird von den leuchtenden Funken aufgesogen, und du leidest weiter."
    „Du kannst einem Mut machen, Mädchen", murmelte Hani. Im Gegensatz zu früher sah man die Herreach jetzt nur noch in Gruppen. Keiner von ihnen war mehr allein. Sogar geschlafen wurde abwechselnd. Immer hielt jemand Wache, der die anderen sofort weckte, sobald sich eine Veränderung zeigte. Dennoch starben weitere Herreach im Schlaf, manchmal auch untertags, mitten auf der Straße. Übergangslos sanken sie leblos zu Boden. Selbst die umgehende Reanimation mit terranischer Technik konnte ihnen nicht mehr helfen.
    Das öffentliche Leben kam zusehends zum Erliegen. Die Terraner mussten ihre Unterstützung ausweiten, sogar die Moond-Bahn wurde unterstützt.
    Die Landflucht vieler Herreach hatte inzwischen enorme Ausmaße angenommen, und die sieben Städte platzten aus allen Nähten. Ununterbrochen flogen Gleiterpatrouillen der LFT über das besiedelte Land und suchten nach Einsiedlern, um sie entweder tot zu bergen oder sie in einer der Städte in Notlagern unterzubringen. Roboter wurden eingesetzt, um das Vieh weiter zu versorgen. Teilweise ließ man die Tiere einfach frei. Die Versuche, einige freiwillige Herreach in andere Gegenden Trokans umzusiedeln, möglichst weit vom Pilzdom entfernt, schlugen fehl. Auch diese Herreach waren weiterhin von dem Drang besessen, nach Moond zu gehen. Ihre visionären Träume wurden keineswegs schwächer, und die Angstzustände verschlimmerten sich eher.
    Die Wissenschaftler versuchten es mit Schutzschirmen, Psi-Abschirmungen und Medikamenten. Janda Kolowa stand in ständigem Kontakt mit den Universitäten in Terrania, wo man ebenfalls fieberhaft nach einer Lösung forschte. Reginald Bull erkundigte sich regelmäßig nach den Fortschritten.
    Er erhielt nur negative Bescheide, was ihn oft erschütterte. Aus diesem Grund übersah er fast, dass kurz nach Mitternacht des 10. April ein MATRIX-Tender aus dem Sektor Hayok das Solsystem erreichte. Zur Untersuchung in den Lunawerften wurde ein erbeuteter, leerer Katamar abgeladen. „Darum kümmere ich mich umgehend", meldete sich Noviel

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