2169 - Das Lichtvolk
strapazieren. Schließlich fand ich eine Nebenzentrale. Ihr Grundriss war fünfeckig. Zwei der Wände bestanden aus Bildschirmen und Eingabegeräten; die dritte wurde von der Tür und hohen Regalschränken eingenommen. Die übrigen bei den Wände waren leer und von ähnlichen Noppen bedeckt wie die Körperelemente der Anbarthi. Ich schraubte die Verkleidung einer Tastatur ab und verband mein Werkzeug mit der Platine. Dann legte ich los. Nach etwa einer halben Gefrin hatte ich mir Zugang zu den Speicherbänken verschafft.
Gerade wollte ich eine Schmöker-Routine starten, als schräg hinter mir eine Stimme erklang. „Entschuldige wäre es wohl sehr vermessen zu fragen, was du hier treibst?"
Vor Schreck hätte ich fast mein Werkzeug fallen lassen. Ich war mir sicher, dass es die ganze Zeit über mucksmäuschenstill gewesen war. Ich hatte weder Schritte gehört noch ein Türgeräusch. Langsam drehte ich mich um. Die Wände hatten Ohren bekommen. Auch Augen, Nasen und Münder.
Wie Reliefs ragten zwei Köpfe aus den vormals glatten Noppenwänden. Sie ähnelten entfernt denen von Guyaam und bestanden aus denselben würfelförmigen, bausteinartigen Elementen wie die Körper der Anbarthi. Oh heilige Mutter - die Wände sind Anbarthi! In den rund fünfzig Adrin, in denen ich mich zu den Speicherbänken durchgehackt hatte, hatten sie guyarische Gesichter ausgeformt. „Hast du meine Frage verstanden, junger Leuchter?" Ich entschloss mich, nicht lang herumzudrucksen, sondern es gleich mit der Wahrheit zu versuchen. Laut Ijotha führte das in neun von zehn Fällen zum bestmöglichen Ergebnis. Ich erzählte von meiner Wissensgier. Von der Unmöglichkeit, in Siv'Kaga an ernst zu nehmende Informationen über VAIA und die Epoche der Kriege zu gelangen. Von meinem Gespräch mit Jofengopyliander, der gemeint hatte, dass diese in der Fliegenden Mission zu finden waren. „Jofengopyliander, soso", kam es aus Richtung eines der grob und unfertig wirkenden Gesichter. „Typische Sänger-Schauspieler-Persönlichkeit. Außer Eitelkeit und Selbstverliebtheit nicht viel im Konstrukt."
„Für sein derzeitiges Aufgabengebiet eine Grundvoraussetzung", warf der andere Kopf ein. „Ich bitte dich, Einkaufszentren...!"
„Schon. Aber sicherheitshalber sollten wir seine indiskrete Großmäuligkeit dennoch um einige Stufen in Richtung gewöhnlicher Angeberei zurücknehmen."
„Ich stimme zu. Und die Sicherheitsvorkehrungen um das Schiff herum könnten desgleichen eine Überprüfung vertragen."
„Wohl wahr. - Doch nun zu dir, junger Leuchter. Du willst also wirklich unbedingt vom Tha-Dar Jardalav hören?"
„Ja!" Der eine Kopf hatte inzwischen eine Grimasse modelliert, die man mit viel gutem Willen als Lächeln deuten konnte. „Er ist unglaublich reif für sein Alter, findest du nicht auch?"
„Absolut", gab der andere zur Antwort. „Ich bin noch keinem Guyar-Kind wie ihm begegnet. Er muss jemand Besonderer sein. Wie ist dein Name, junger Guyar?"
„Anguela."
„Ich verstehe. Hör zu, Anguela: Wir werden dir deinen Wunsch gewähren, auf dein eigenes Risiko hin, klar? Wissen ist Macht, und Macht kann gefährlich werden, auch und gerade für den, der sie besitzt."
„Sprach Ijotha."
„Sieh an, belesen bist du also auch. Gut so. Pass auf: Wenn du den Lichtsignalen am Boden folgst, kommst du zur Bordkathedrale. Dort, Anguela, werden die Anbarthi für dich singen."
Es waren ihrer Tausende. Wie viele zusätzlich die Wände und die aus der hohen Decke herabwachsenden Stalaktiten bildeten, vermochte ich nicht zu sagen. Sie als Einzelpersönlichkeiten im herkömmlichen Sinn zu betrachten ging wahrscheinlich sowieso am Wesen des Missionarsvolks vorbei. Ich wurde von den Lichtpunkten in die Mitte des riesigen, an einen unterirdischen Dom gemahnenden Raums geführt.
Dort ließ ich mich nieder. Die Anbarthi nahmen rings um mich Aufstellung. Als sie zu singen begannen, glaubte ich, meine Schädeldecke flöge weg. Das war etwas völlig anderes als das Konzert vor dem Einkaufszentrum. Die Para-Sänger stimmten ihre Psi-Fertigkeit auf meine Hypersensibilität ab. Beide Begabungen ergänzten, ja multiplizierten sich.
Eine ungeheure Menge von Informationen und Empfindungen stürmte auf mich ein.
Ich schrie gellend auf, krümmte mich zusammen wie ein Embryo. Daraufhin nahmen die Anbarthi die Dosierung zurück, doch nur ein wenig. Ich erfuhr, nein - erlebte ..., wie vor Tausenden von Thadrin aus einer von kriegerischen Auseinandersetzungen verheerten
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