2169 - Das Lichtvolk
ihren Lieblingsschüler angesehen hatte, leuchtete mir ein. Entsprechend mürrisch hatte sie mich behandelt.
Aber Panige - ich meine, sie war immerhin meine Mutter! Enguarti begrüßte uns überschwänglich. Er hatte anlässlich des Beginns meiner Ausbildung ein Festtagsmenü gekocht, bestehend aus Paniges und meinen jeweiligen Lieblingsspeisen. Aber wir stocherten nur grantig darin herum. „Und? Habt ihr's nett gehabt, meine beiden Genies?"
„Mhm."
„Ja, eh."
„Ist was mit euch?"
„Nein, nein, alles bestens."
Mir brummte der Schädel dermaßen, dass ich nicht einschlafen konnte, obwohl ich die Augen kaum mehr offen zu halten vermochte. Begriffe, Formeln, Tabellen und Skizzen tanzten quer durch meinen Kopf Polonäse: bei einem Ohr rein, vor den Augen vorbei, beim anderen Ohr wieder raus. Und zugleich auch in der Gegenrichtung.
So wird das nichts. Warum sagt sie mir nicht, was der Trick dabei ist? Es muss einen Trick geben. Niemand kann das alles in einer einigermaßen vernünftigen Ausbildungszeit erlernen. War ich zwar parapsychisch höchstbegabt, aber vom Intellekt her zu beschränkt? Mit anderen Worten: einfach zu blöd dafür?
Klüger zu sein als die ganze Familie Zowel zusammen, das bedeutete gar nichts.
Unter den Lichtlosen wird auch der schwächste Leuchter strahlen, sprach Ijotha. Eine Tymdit ist kein Spielzeug. Sondern ein höchst machtvolles, gefährliches Instrument.
Sie reagiert gedankenschnell auf mich, löst dadurch wiederum Reaktionen bei mir aus, und wenn die falsch sind... Mutter hatte erklärt, dass es zu einer Art Kurzschluss kommen konnte. Tymdit und Leuchter schaukelten sich in Ofrip-Bruchteilen gegenseitig auf, bis diese „Überhitzung" nicht mehr zu stoppen war. Psychische Schäden konnten die Folge sein, bis hin zum Tod durch Gehirnschlag. Das konnte so schnell gehen, dass die Sicherheitsschaltungen zu spät kamen.
Verdammt, die sehen doch nicht einfach zu, wie sich Auszubildende selbst das Hirn rösten! Oder doch? Ein derart brutales, guyarverachtendes Ausleseverfahren passte einfach nicht zum Lichtvolk. Und zum Reich der Güte schon gar nicht. Es muss einen Trick geben. Und Panige will, dass ich von selbst drauf komme. Darum hat sie mich so kalt abgeblockt. Vielleicht nähere ich mich dem Problem ja von der falschen Seite ...? Das kleine Rätsel fiel mir wieder ein, das ich den Zowels aufgegeben hatte. „Eine Guyar und ihr Eheling haben insgesamt sieben Kinder. Exakt die Hälfte davon sind Jungen. Wie geht das?"
Die Antwort, die du sicher schon längst gefunden hast, ist ärgerlich simpel: Die andere Hälfte sind ebenfalls Jungen. Sieben Halbe plus sieben Halbe gibt sieben Ganze. Die Formulierung der Frage verleitete die meisten, denen ich sie stellte, zum Trugschluss, die andere Hälfte müssten Mädchen sein. Das wurde aber nie ausgesagt.
Nur, dass mathematisch exakt fünfzig Prozent der Kinder männlichen Geschlechts waren. Vielleicht funktionierte der kleine psychologische Bluff auch deshalb so gut, weil Mädchen in unserer Gesellschaft höher angesehen waren und wohl niemand gerne sieben Jungen gehabt hätte, diesen Gedanken also unbewusst verdrängte.
Wie auch immer, hatte man sich erst einmal in diesem Paradoxon verfangen, fand man nicht so schnell wieder heraus. Erging es mir gerade ähnlich? War zur Lösung des Tymdit-Problems ebenfalls Umwegdenken nötig? Kein Vaia'Kataan kann sich alles nötige Wissen aneignen, bevor er oder sie zum ersten Mal nackt in eine Tymdit geht. Das ist rein vom Zeitaufwand her praktisch unmöglich. Niemand konnte vorher alles lernen. Schön. Man musste aber alles über die Tymdit wissen. Wie sollte man sie sonst beherrschen?
Meine Gedanken drehten sich im Kreis, bissen sich selbst in den Schwanz wie dumme Chaquitte. Es muss anders gehen. Andersrum. Andersrum! Na klar! Ich sprang auf, rannte aus meinem Kobel zur Liegestatt meiner Eltern. Als ob ich wieder ein Kleinkind wäre, rüttelte ich meine Mutter an der Schulter, bis sie erwachte und mich aus verschlafenen Augen anblinzelte. „Ich hab's!", rief ich. „Ich hab's!" Panige sagte nichts. Sie strahlte nur. „Seid ihr jetzt vollkommen verrückt geworden?", fragte Vater verdattert, als wir ausgelassen durch den Ruheraum tanzten.
Tags darauf stieg ich ohne Angugoles in die Tymdit. Wieder zog mich der Traktorstrahl in den Mittelpunkt, streifte mich eine kaum merkliche Berührung, zeigten die Waben durch ein diffuses Glimmen ihre Bereitschaft an. Dann begann ich. Ich bin Anguela,
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