2170 - Das Reich der Güte
Genauer: als meine Eltern auf Caldera um spezielle Lebensmittel und Medikamente für ein besonders hypersensibles Kind anfragten. Du erinnerst dich vielleicht; dass es erstaunlich lange dauerte, bis diese auf Sivkadam eintrafen? Nun, die Ursache dafür lag darin, dass die für solche Fälle zuständigen Beamten in den Palästen erst genau überprüften, was es mit dieser Begabung auf sich hatte.
Sie befragten sogar den Hebamm, der bei meiner Geburt assistiert hatte. Und trugen ihm danach strengstes Stillschweigen auf. Fortan ließen mich Ijotha und seine Stellvertreterin Keepige Driallo beobachten. Und wenn nötig, wurden sie im Hintergrund aktiv. Sie spielten mir den Kaleido- Kristall zu, durch den ich beschränkten Zugang zum InterGalNetz erhielt und so Informationen, die mein damaliges Weltbild erschütterten und umkrempelten.
Weil Ijotha es so wollte. Weißt du noch? Ganz kurz nur gab es diese speziellen Kaleidos in jenem pombarischen Spielwarengeschäft. Das mein Vater immer aufsuchte, wenn er mit einem seiner Söhne zum ersten Mal die hermetische Enklave der Goldenen Kuppeln verließ. So erfuhr ich frühzeitig, dass keineswegs überall im Reich des Glücks die Männer als minderwertig betrachtet wurden. Sondern dass dies eine Eigenheit der sektiererischen Bewohnerinnen von Siv'Kaga war. Prompt lehnte ich mich dagegen auf, setzte nun erst recht meinen Ehrgeiz daran, mich und meine Fähigkeiten zu beweisen. Weil Ijotha es so wollte. Als meine Mutter die Angugoles für mich beantragte, trotz meiner Jugend, und Erünie Zowel Einspruch dagegen erhob, wurde dieser von der Sird-Baszmarin abgeschmettert, ungeachtet der öffentlichen Demütigung, die sie meiner Lehrerin damit zufügte.
Weil Ijotha es so wollte. Und schließlich wurde Panige mit samt ihrer Familie nach Caldera abberufen. Per Depesche von Keepige Driallo, der Stellvertreterin des Verkünders, wegen „gewisser industrieller Spezialkenntnisse". Aber das war nur ein Vorwand für den wirklichen Grund gewesen: Dass Ijotha es so wollte.
„Mein lieber Vater Enguarti ist dadurch vollkommen entwurzelt worden", warf ich dem Alten vor. „Er leidet darunter. Im für ihn beängstigend fremden Calduum findet er sich überhaupt nicht zurecht. Er verkümmert hier!"
„Ach ja?", fragte Ijotha. „Woher weißt du das so genau? Hast du ihn in letzter Zeit besucht?"
„Ein Unrecht kann niemals dadurch gerechtfertigt werden, dass man es gegen ein anderes aufrechnet", zitierte ich einen Spruch meines Idols von Kindheit an. Dem ich nun leibhaftig gegenübersaß. Hier, auf den Felsen am Rand des Goldfischteichs.
Wie sehr hatte ich mir eine derartige Begegnung immer gewünscht! Und unter welchen Umständen fand sie nun statt! „Ein Ausnahmetalent wie du darf sich nicht mit der Steuerung von Industrieanlagen zufrieden geben - wie du es getan hättest, wenn deine Familie auf Sivkadam geblieben wäre", sagte er. „Das leuchtet dir doch nachträglich ein, oder? Einer wie du darf niemals verschwendet werden. Einer wie du muss AGLAZARE fliegen oder Fensterstationen kommandieren oder ..." Er stockte kurz. „Übrigens, Enguarti geht es inzwischen wieder ganz gut. Er hat Anschluss an einen vaianischen Gebetskreis gefunden, in dem er sich sehr wohl fühlt. Die Leutchen sind arg fundamentalistisch eingestellt, aber nett und harmlos."
„Jetzt soll ich mich wohl dafür bedanken, dass du auch das in die Wege geleitet hast, nicht wahr?" Ich deutete auf die Tymcalellen im Teich. .„Arbeiten sie ebenfalls für dich?", fragte ich bitter. „Stehen auch sie in deinem Dienst - so wie Tirotu und Meloce?"
„Meloce nicht", korrigierte Ijotha. Das Lichtspiel seines Kopfgeflechts bewies, dass er die Wahrheit sprach. „Außer gelegentlich als Lohnkutscherin für die Calditischen Paläste, doch das weißt du ja. Und dass Tirotu zu Keepiges Büro gehört, daraus hat er nie ein Hehl gemacht."
„Aber er hat mich keineswegs zufällig mit den Staubreitern zusammengeführt.
Sondern weil du es so wolltest."
„Ja. Weil ich wollte, dass du die Erfahrung des Staubreitens machst. Was darüber hinaus zwischen dir und Meloce Xip geschah und geschehen wird, war und ist euer freier Wille. Mich derart in die Intimsphäre zweier junger Leuchter einzumischen, würde ich mir niemals anmaßen."
„Du sprichst von Anmaßung?", schrie ich auf. „Du? Nach allem, was du getan hast?"
„Ja, ich. Nach alldem, was ich getan habe", sagte der Alte mit plötzlicher Schärfe. „Denn ich bin der Dhasaren, bin
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