2177 - Das Zirkular
mühsamer als der Aufstieg, aber das konnte Alaska sich nicht aussuchen. Zudem hatte er mit den lästigen Insekten zu kämpfen, die ihn umschwirrten. Aber er entdeckte auch hie und da einmal ein Ohr oder ein Auge, das neugierig auf ihn gerichtet war, oder hörte das leise Trappeln von Pfoten. Auch Vögel wagten sich jetzt hervor. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Störenfried wohl harmlos war, zeigten die Tiere kaum mehr Scheu. Ungefähr zwei Meter über dem Grund der Schlucht entdeckte der Terraner eine Höhle. Vielleicht sollte er von dort aus versuchen, ein kurzes Funksignal abzusetzen? Es gab hier eine Fülle von potentiellen Verstecken, und die schwarzen Gleiter konnten nur in der Ebene landen und Bodentruppen ausschicken. Bis zu ihrem Eintreffen in der Schlucht würden die Mochichi ihn längst abgeholt haben. Kurz entschlossen duckte sich Alaska in die Höhle, wartete einen Moment, bis sich seine Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, und wagte sich dann weiter. Nach ein paar Schritten wurde es allerdings so dunkel, dass er das Scheinwerferlicht seines Armbands brauchte.
Er schwenkte den Lichtkegel herum - und sprang erschrocken zur Seite, als der Strahl von einem Augenpaar reflektiert wurde. Die Augen waren etwa handtellergroß, und das, was Alaska kurzzeitig als Körper darum herum erkannt hatte, war Grund genug für ihn, augenblicklich den Scheinwerfer wieder abzuschalten und langsam rückwärts zu gehen. Es wurde immer klarer, dass das Gebirge der Wüste Gemb ein sehr belebter Ort war; von ausgestorben, einsam und öde konnte keine Rede sein. Und das Tier in der Höhle war einer jener Räuber, denen der Mann mit der Maske lieber nicht begegnete.
Ein tiefes Knurren kam aus der Dunkelheit. Dann setzte sich das Tier in Bewegung.
Es kam auf Alaska zu. „Schon gut", sagte er leise. „Schlaf nur weiter. Ich störe dich nicht ..." Das Raubtier kümmerte sich nicht um seine Worte. Es wurde schneller.
Alaska ebenfalls, was rückwärts nicht einfach war. Schließlich war er wieder draußen, beim Eingang, und sprang hastig zur Seite, hinter einen Felsen. Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Moment schoss so etwas wie eine Krebsschere aus der Höhle. Peitschenartige Tentakel wuchsen aus ihr und peitschten wild durch die Luft. Die Schere klappte mit einem großen Knall zu, und schlagartig verstummten alle Geräusche in der Umgebung. Überall sahen Vögel zu, dass sie in Deckung kamen.
Alaska sah, wie ein Teil des Kopfes nachfolgte, ein mit fransenartigem Fell überwuchertes Tiergesicht, das von den riesigen Augen und einem zähnestarrenden, kreisrunden Maul beherrscht wurde. Das Tier zuckte zurück, als es in die Sonne kam, und verschwand eilig wieder nach innen. Es war also nachtaktiv, zudem schien es, ähnlich wie ein Einsiedlerkrebs, in der Höhle auf der Lauer zu liegen und auf unvorsichtige Beute zu warten, die sich in die Nähe der tödlichen Schere wagte.
Alaska atmete auf. Er war in Sicherheit. Fürs Erste. Er beschloss, besser bei seinem ursprünglichen Plan zu bleiben, das Tal zu durchqueren. Eine geeignete Höhle zu finden war nicht weniger zeitraubend und offenbar um einiges gefährlicher.
Der Mann mit der Maske folgte behutsam einem schmalen Tierpfad hinunter ins Tal.
Seine Sinne waren angespannt, und er sah sich ständig nach allen Seiten um. Er hatte schon eine ganze Weile keine Gleiter mehr über sich hinwegfliegen sehen. Vielleicht hatte er Glück, und die Kattixu hatten die Überprüfung dieser Region des Planetens bereits abgeschlossen. Aber auch so war es hier für einen Unbewaffneten nicht ungefährlich. Monkey würde jetzt sagen, dass ich ja eine Waffe habe. Die fast ultimative Waffe für alles Organische, sozusagen, dachte Alaska. Aber warum sollte ich damit ein Tier töten, das nur seinem Instinkt folgt? Das würde ich erst in allerletzter Sekunde machen, wenn es gar keinen Ausweg mehr gibt.
Damit stellte sich wiederum die Frage, wie er sich verhalten sollte, wenn ihm die Kattixu auflauerten. Würde er sich im Angesicht der Übermacht die Maske herunterreißen und das den Wahnsinn bringende Cappin-Fragment entblößen? Oder sich gefangen nehmen lassen, um auf einen günstigen Moment zur Flucht zu warten?
Ich weiß nicht, gestand Alaska sich ein. Das muss der Moment zeigen. Ich weiß allerdings eines: Ich würde lieber einmal zu oft zögern, als einmal zu oft die Maske abnehmen. Ich darf nicht der Versuchung nachgeben, den einfachen Weg zu gehen.
Sicher ich lebe
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