2181 - Die Liebenden der Zeit
Verbrennungen verheilt sein." Er wollte protestieren, aber er konnte es nicht mehr. Er schlief so sanft ein, wie er erst kurz zuvor aufgewacht war.
Das Hologramm war lebensgroß - und obwohl es sich nur um eine Aufzeichnung handelte, wich Le Anyante erschrocken zurück. Aus der größeren Distanz taxierte sie den Unbekannten erneut. Ihr Unbehagen blieb. „Ich glaube nicht, dass ich mit diesem Burschen klarkommen werde", sagte sie stockend. „Er gefällt mir nicht."
„Deine persönliche Meinung ist unerheblich, Le." Ruckartig fuhr sie herum. Ihr Blick suchte den des Ressortleiters, dann besann sie sich, dass solches Aufbegehren irrational war. Er riss sie aus ihrer seit Jahrhunderten gewohnten Tätigkeit heraus. Das war es, was sie erschreckt hatte, weniger das Abbild des ungepflegten Potenzial-Architekten. Sicher, er war groß gewachsen, seine Muskeln saßen an den richtigen Stellen und ließen ihn sogar imposant erscheinen, aber alles andere...
Le Anyantes Augen weiteten sich, ihr Mund öffnete sich zu einem verbindlichen Lächeln. Sie spürte, dass ein Konfrontationskurs wenig Erfolg bringen würde. Wenn sie es vermeiden wollte; diesen ungepflegten Architekten umsorgen zu müssen, war sie zu subtilerem Vorgehen gezwungen. Es 'gab Männer, die hätten alles für ein Zusammensein mit ihr gegeben. Ihre Augen, sagte jeder, waren klar und tiefgründig wie die Seen von Geomm, ihr Fell glänzte im Sonnenschein wie roter Flaum. Die Männer lobten die Zeichnung ihrer Arme ebenso wie die zu langen Zöpfen geflochtene Mähne, und der anschmiegsame Widerstand ihrer Kruppe ließ jeden vor Wonne vergehen.
Scheinbar zufällig streifte Anyantes Flanke den Ressortleiter Ckob, doch dahinter verbarg sich pure Berechnung. Sie spürte sein Erschauern und musste nicht einmal ihre besondere Fähigkeit nutzen, um seine Erregung zu erkennen. Le verstärkte den Druck. Ihre Hand rutschte über Ckobs Kruppe auf den Hinterbacken. Gilere Ckob begann zu schwitzen, sein Geruch veränderte sich abrupt. Dann wich der Ressortleiter zur Seite aus; die Ausdünstung von Zorn übertönte alles andere. „Deine Aufgabe ist ab sofort, Curcaryen Varantir vor sich selbst zu beschützen, Le!", sagte er scharf. „Varantir ist heute eine der wichtigsten Personen des Planeten - und du gehörst zu unseren besten Fundament-Stabilisatorinnen. Kümmere dich um sein seelisches Gleichgewicht!" Sie starrte das Holo an und schüttelte sich. Schon die Vorstellung, dem ungepflegten Burschen bis auf Hautkontakt nahe zu kommen, erfüllte sie mit Abscheu. „Dir bleiben zwei Tage, dich mit allem vertraut zu machen, was Varantir betrifft. Danach beginnt dein Einsatz."
„Wie lange?", fragte sie zögernd. Jedes Lächeln war gewichen. Es war überhaupt das erste Mal, dass ihre Körpersprache versagt hatte. Gilere wandte ihr die Hinterbacken zu, ein unmissverständliches Zeichen, dass sie keinen zweiten Versuch zu unternehmen brauchte. War sie nicht mehr attraktiv? Sie verfluchte Varantir, bevor sie ihm zum ersten Mal gegenüberstand. „Du wirst Curcaryen zeit seines Lebens begleiten", stellte Ckob eiskalt fest. „Er ist jetzt 1374 Jahre alt ..." Für Le Anyante brach eine Welt zusammen. Ein halbes Leben hatte sie noch vor sich. Ihr Unwille wuchs rapide; sie glaubte nicht, dass sie den ungepflegten Varantir jemals anders als mit Abscheu sehen würde.
Ein Hauch von Feuchtigkeit hing in der Luft. Die Pflanzen reagierten darauf mit verstärktem Blütenwachstum. Le Anyante konnte beobachten, wie eine Prachtstaude ihre mannsgroßen Kelche aufstülpte und Wolken duftender Sporen von der Nässe schier angesogen wurden. Die Wetterkontrolle verwandelte Geomm in einen Farbenteppich, in dem sich alle Schönheit des Universums spiegelte. Für einen Augenblick gab sich die Algorrian der Hoffnung hin, die Zeit möge innehalten. Doch alles im Kosmos war vergänglich, die Blütenpracht Tulacames im Kleinen ebenso wie die Feuerräder der Sterneninseln im Großen. Das Wasser perlte von ihrem imprägnierten Fell ab. Auch die gläserne Fabrik spiegelte die Nässe wider - ein Bild der Schwermut, glaubte Le. Wie Tränen erschienen ihr die gewaltigen Bauten inmitten der Parklandschaft, erstarrt in einer ungewohnten Mattigkeit.
Diese trübe Stimmung passte zu ihrem eigenen Zögern. Seit zwei Tagen hatte Le kaum noch geschlafen, sondern alle Zeit genutzt, sich mit dem Lebenslauf Varantirs auseinander zu setzen. Zweifellos war er einer der talentiertesten Potenzial-Architekten; es kam nicht
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