2186 - Der neue Souverän
krüppelhaften Bewegungen seiner Eskorte. Ein Valenter strauchelte, weil der gar nicht einmal so steile Hang ihn in seiner körperlichen Unzulänglichkeit überforderte. Der Souverän ließ die Sänfte so tief fliegen, dass die an der Unterseite angebrachten Messer die schreckliche Rüstung des Valenters darunter durchtrennten.
Die Rüstung diente hauptsächlich der Einschüchterung aller Wesen, die die Angehörigen seiner Eskorte sahen und den Valenter, der gellend schrie und dann verstummte.
Auf dem Planeten Jhonass war lange kein Inquisitor mehr gewesen. Die Valenter, die ihn bewohnten, schienen vergessen zu haben, was sie erwartete. Sie waren sogar herbeigeströmt, um die Landung des Hort-Schiffes zu beobachten. Aber dann hatte November die Schleusen öffnen lassen, und das Ritual hatte seinen Anfang genommen. Die Eskorte ging ihm voran, und er saß in seiner Sänfte, saugte Kräfte auf und freute sich am Sterben der Wesen ringsum. So, wie sich ein Kaiser namens Nero angeblich an der brennenden Stadt Rom des Planeten L'Erics ergötzte, blitzte eine Erinnerung durch seinen Verstand.
Die Menge der Wesen, deren Lebenskraft er in sich aufnahm, befriedigte seine Gier, doch Freude verschaffte ihm hauptsächlich, einzelne Individuen aussaugen zu können. Er gab das Zeichen, und einige Angehörige der Eskorte schwärmten aus. Schon bald brachten sie ihm einen kleinen Jungen, drall und prall und voller Lebenskraft. Zwei Valenter hielten seine Eltern fest, und allein deren Entsetzen rief auch in dem Kind Angst hervor, das gar nicht verstand, was hier geschah. Er musterte zuerst die Eltern, dann das Kind. Das süße Entsetzen! Die lodernde Angst!
Das heiße Grauen! Er ließ die beiden Erwachsenen nicht aus den Augen, während er die zarte Lebenskraft des Kindes in sich aufnahm. Als der kleine Körper leblos zu Boden sackte, genoss er einen Moment lang die Hoffnungslosigkeit der Eltern, dann leckte er fast beiläufig über deren Vitalenergie und nahm sie ebenfalls auf.
Heute Jhonass, dachte er, morgen Mamili, übermorgen Kahlin! Weiter, immer weiter durch Tradom, in den auf Rifa erbauten Hort-Schiffen, immer auf der Suche nach mentalen Quellen, deren Assimilation sein Leben verlängerte und ihm eine perverse Freude bereitete.
Die Stimmen wisperten immer eindringlicher in ihm. Er konnte sie nicht verstehen, aber sie waren da, redeten unablässig auf ihn ein. November hob die Hände und drückte sie an den Kopf, doch die Stimmen konnte er damit nicht zum Verstummen bringen. Es liegt an all dem Leben, das ich in mich aufnehme, dachte er, und das nicht meines ist. Als würde ich mit der Vitalenergie fremder Wesen immer auch einen Teil der fremden Persönlichkeiten in mich einsaugen. Einen Moment lang versagten die Beine ihm den Dienst, und er torkelte durch den Gang, musste sich abstützen. Dann hatte er die Schleuse des Schiffes hinter sich gelassen und betrat das Tributkastell.
Augenblicklich ließ der Druck auf seinen Kopf nach.
Es war eine Erleichterung, in die Festung der Inquisition zurückzukehren. Er genoss es geradezu, wenn er einen Teil der aufgesaugten negativen Aufladung vor allem an die Parastaub-Tymcal-Bestandteile der Festung der Inquisition abgeben konnte. Aber auch die Wände der Tributkastelle verschafften ihm eine gewisse Linderung. Sie nahmen die unzähligen leisen Stimmen auf, die nach jedem Mahl in ihm zurückblieben und unablässig in ihm wisperten. Oder werde ich ganz einfach nur schizophren?, dachte er. Entwickle ich genau wie meine Gefährten schizoide Tendenzen? Er fragte sich, was mit den Stimmen geschah, die in den Wänden der Festung oder der Kastelle zurückblieben. Anfangs hatte er geglaubt, sie würden irgendwann verstummen, doch darauf wartete er noch immer. Den Äußerungen von Besuchern hatte er entnommen, dass mit der Zeit der Eindruck entstand, die Wände der Festung würden leben. Das galt auch für die von den Inquisitoren besuchten Tributkastelle. Ihre Wände selbst schienen eine Seele zu haben, Millionen unsichtbare Augen verfolgen den Weg der seltenen Besucher und der Valenter durch das Kastell.
Und für die Tributschmiede, die sich allerdings auch die Bewusstseine von Cy'Valentern einverleibte.
In diesen Momenten, in denen die Stimmen in seinem Kopf kurz leiser wurden oder manchmal sogar ganz verstummten, fragte er sich, ob er mit allem völlig richtig handelte. Auf der einen Seite war er noch immer der Souverän der Vernunft. Er unterwarf ferne Provinzen und baute seine
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