219 - Kaiserdämmerung
alles daran gesetzt, die Menschen, die seinen Halbbruder liebten, für sich zu gewinnen. Wenn es sein musste, war er dabei auch über Leichen gegangen.
Lysambwe warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Als ich ihr erzählt habe, dass ich dich bei der Großen Grube zum Teufel jagte, hat sie vor Begeisterung in die Hände geklatscht!«
Omanis Miene blieb unbewegt, aber seine Finger zitterten, als er einige Kathblätter aus seinem Beutel zupfte. »Das war dein größter Fehler, Bruder, und du bist auch noch stolz darauf, du Narr!« Er schob sich das Kath in den Mund und beugte sich ein wenig näher zu Lysambwe. »Ich wollte damals nur ein paar Worte mit dem Kaiser wechseln, als deine Soldaten mich abführten wie einen Schwerverbrecher.«
»Du bist doch sonst auch nicht scharf auf die Gesellschaft des Kaisers. Ausgewiesenehrmaßen bist du sein Feind. Also, was soll das Gejammer, ich habe damals dein Leben verschont!«, entgegnete Lysambwe.
»Ohne Waffen, ohne Reittiere hast du mich im Dschungel ausgesetzt!« Omani zerknüllte den Beutel in seiner Faust, als wolle er das Kath heraus wringen. »Aber du hast die Rechnung ohne Pierre de Fouché gemacht!« Erst als er das Entsetzen im Gesicht seines Halbbruders sah, beruhigte er sich wieder. »Damit hast du nicht gerechnet, was? Deine elende Ergebenheit dem Kaiser gegenüber hat dich blind gemacht für das, was in deiner Umgebung passiert! Diese Blindheit hat deine Rekruten da draußen das Leben gekostet… Kommandant!«
Lysambwe war, als ob eine eiserne Kralle seine Brust zusammenpresste. Also doch de Fouché, dachte er. Er will sich gegen den Kaiser erheben. Ich muss nach Wimereux zurück und Prinz Akfat warnen!
Als ob Omani seine Gedanken erriete, zog er einen Dolch und setzte ihn Lysambwe an die Kehle. »Du wirst ihn nicht aufhalten können, den neuen Herrscher der Wolkenstädte! Gerade jetzt ziehen seine Verbündeten nach Wimereux-à-l’Hauteur. Unterwegs sammeln sie die unzufriedene Bevölkerung ein, um mit ihnen dem vermeintlichen Steuerpresser Prinz Akfat den Garaus zu machen.« Fumo lächelte böse.
Lysambwe spürte die kalte Dolchklinge über seinen Hals hoch zum Kinn gleiten. Sie fuhr entlang der Narbe auf seiner Wange und verharrte unterhalb seines rechten Augenlids.
»Und nicht nur dem Prinzen, sondern auch den schönen Frauen des Kaisers und seinen unschuldigen Kindern«, fuhr Omani fort. »Was wirst du dem Kaiser sagen, Lysambwe, wenn er zurückkehrt und feststellen muss, dass sein Kommandant nicht acht gegeben hat auf die Weiber und die Brut?« Er gab dem Messer einen leichten Stoß und zog es dann schnell zurück. Ein dunkler Blutstropfen rann aus der winzigen Wunde unter Lysambwes Auge. »Mach dir keine Sorgen, Bruder. De Rozier wird dich nicht zur Rechenschaft ziehen. Denn er wird nicht zurückkehren; dafür hat euer Kriegsminister gesorgt.« Fumo erhob sich. »Und wenn er es doch geschafft haben sollte, wird Pierre de Fouché ihm und dem Blonden einen angemessenen Empfang bereiten. Und du, mein lieber Bruder, wirst Ehrengast sein!«
Zwei der gekaperten Luftschiffe waren aufgestiegen und flogen jetzt Richtung Osten. Rönee bog die Grashalme zur Seite, um besser sehen zu können, was im Lager der Aufständischen vor sich ging: Alle Zelte bis auf eines waren abgebaut. Männer beluden Dschungelrouler und Trivelos. »Wir brechen auf!«, brüllte eine Stimme.
»Was ist mit Omani?«, fragte eine andere.
»Der kommt mit dem Gefangenen nach!«, antwortete die erste.
Rönee hielt die Luft an. Omani? Gefangener? Sein Herz klopfte aufgeregt. Wenn es wirklich der Omani war, den er aus Gambudschie kannte [4] , konnte der Gefangene nur der Kommandant sein.
Der ehemalige Gardist rollte sich auf den Rücken. Ngaai sei Dank! Lysambwe lebt! Während hinter ihm die Brenner der Dampfrouler angefeuert wurden, robbte er näher an das Zelt heran. Er registrierte zwei Wachen: kräftige Männer in blauen Uniformen. Einer mit langer schwarzer Mähne hielt eine Machete in seiner Faust. Der andere, ein Kahlkopf, trug eine Armbrust.
Rönee musste sie irgendwie von dem Zelt weglocken. Er schaute sich um. Direkt hinter dem Zelt begann der Wald. Er nutzte den Lärm der Dampfmaschinen und hastete hinüber zu den schützenden Bäumen. Unterwegs stolperte er über einen weichen Körper. Er schaute gar nicht hin, wusste, dass es einer seiner toten Kameraden war. Er rannte weiter und hechtete hinter einen der Baumstämme.
Während er wartete, bis das letzte der Fahrzeuge
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