219 - Kaiserdämmerung
Spritze auf. Als er dem wimmernden Mann die Droge verabreicht hatte, stellte er sich wortlos neben den Zellenwächter. Inzwischen umkreiste Pierre de Fouché den Behandlungstisch. »Seit wann arbeitet er im Haus der Heiler?«
»Seit drei Jahren«, antwortete Rechilje.
»Habt ihr etwas über Aksela von ihm erfahren? Trifft sie sich noch mit diesem Zordan?«, wollte de Fouché wissen. Sein Gefolgsmann schüttelte bedauernd den Kopf.
Nun gut, ich werde es noch herausfinden, dachte de Fouché. Jetzt gab es Wichtigeres zu erfahren! Er lehnte sich mit verschränkten Armen an den Behandlungstisch. »Vor einigen Wochen wurde die Leiche meines Adjutanten unter der Stadt gefunden«, wandte er sich an den Gefangenen. »Einen Beutel mit Jeandors und einen wertvollen Ring trug er noch bei sich, aber seine Dokumententasche fehlte. Nachdem du meinen Leuten nichts über ihren Verbleib sagen wolltest, wirst du vielleicht dem Kriegsminister von Wimereux erzählen, wo diese Mappe ist!«
Der Befragte atmete schwer. Aber kein Wort kam über seine Lippen.
»Ich nehme an, euer Anführer hat sie an sich genommen. Wo finde ich ihn?« Pierre de Fouché zupfte sich einen Fussel von der Gardeuniform. »Wo ist euer Geheimversteck?« Wie er erwartet hatte, kam wieder keine Antwort.
»Also gut. Du willst niemanden verraten. Du bist loyal!« Er beugte sich über den Angeschnallten. »Ich bewundere Loyalität. Jedoch frage ich mich, ob du deiner Familie gegenüber ebenso loyal bist!«
»Ich habe keine Familie«, stöhnte der Mann.
Fluchend richtete Pierre de Fouché sich auf. »Keine Familie? Zwei Söhne und drei Töchter nennst du keine Familie?!« Er zog seinen Degen und setze dessen Spitze unter den Rippenbogen des Gefolterten auf.
»Ich fange mit deiner Ältesten an! Spüre, was sie spüren wird, wenn du jetzt nicht redest!« Ganz langsam drückte er seine Waffe nach unten.
Die Degenspitze durchbohrte die Haut des Gefangenen. Wie eine heiße Quelle brodelte das Blut aus der Wunde. Millimeter um Millimeter glitt die Klinge unter die Rippen des Elenden. Während er schrie und jammerte, wiederholte sein Peiniger immer wieder dieselben Fragen. »Wo finde ich Zordan? Wo ist euer Geheimversteck?«
Verstümmelte Laute drangen aus dem Mund des Mannes. Der Kriegsminister beugte sich nochmals über ihn, bis sein Ohr die Lippen des Gequälten fast berührten. Plötzlich richtete er sich ruckartig auf und stieß den Degen tief in den Körper des Mannes. Ein ersticktes Seufzen erklang.
Unbewegt riss Pierre de Fouché die Klinge aus dem Leib des Toten und wischte sie an dessen Hose ab. Er kehrte ihm den Rücken und hastete an seinen Männern vorbei. »Schafft ihn hier weg! Ich weiß jetzt, was ich wissen muss!«
»Wohin sollen wir mit ihm?« Der Uniformierte schaute ihm hilflos nach.
»Macht es wie mit Ord Bunaaga: Werft ihn über den Rand der Stadt«, rief Pierre de Fouché ihm zu. »Wir werden behaupten, der Brandstifter hätte sich selbst gerichtet.«
***
Verborgen vor den Blicken des Mörders und seiner Gehilfen, kauerte Tala in einem der Seitengänge. Sie bebte am ganzen Körper vor Zorn und Entsetzen. Hilflos musste sie miterleben, wie der Kriegsminister den wehrlosen Mann tötete. Sie hatte unmöglich eingreifen können. Nicht den Hauch einer Chance hätte sie gegen die drei Männer gehabt. Immer noch umklammerten ihre Finger den Griff ihrer silbernen Waffe.
Die letzten Worte Pierre de Fouchés hallten in ihrem Kopf nach: Er hat Ord Bunaaga ermordet! Dieses verfluchte Monster hatte ihren Onkel auf dem Gewissen. Am liebsten wäre sie ihm nachgelaufen, um ihm seine hässliche Kehle aufzuschlitzen. Egal, was danach mit mir passiert!
Doch ein Funken nüchterner Überlegung hinderte sie daran: Sie musste Akfat und Doktor Aksela warnen. Darum blieb sie, wo sie war. Sie beugte sich vor und lugte um die Ecke: Die beiden Handlanger Pierre de Fouchés trugen den Getöteten aus der Zelle. Tala wich wieder zurück.
Eigentlich war Rechilje der Grund gewesen, warum Tala dem Kriegsminister vom Palast aus gefolgt war: Der Polizeioffizier war ziemlich lange in der Nähe des kaiserlichen Hangars herumgelungert. Als dann Pierre de Fouché zu ihm stieß, hatten die beiden es verdächtig eilig gehabt. Instinktiv war sie ihnen gefolgt und Zeugin dieser unfassbaren Vorgänge in den Verliesen geworden.
Die Leibwächterin lauschte. Gepolsterte Wände und Böden verschluckten jeden Laut. Sie konnte nur schätzen, wann die Männer bei der Treppe waren.
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