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219 - Kaiserdämmerung

219 - Kaiserdämmerung

Titel: 219 - Kaiserdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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wählen, wenn ich in einer neuen Stadt ein neues Amt annehmen würde. Du bist das beste Beispiel dafür!« Grinsend klopfte er Rönee auf die Schulter. »Ich kann euren Kriegsminister auch nicht leiden. Ein aufstrebender Möchtegernbefehlshaber, der in seinem Übereifer unangemessen über jedes Ziel hinaus schießt.« Der Kommandant spuckte ins Gras. »Aber dass er etwas mit den Aufständischen zu schaffen hat? Was hätte er davon?«
    Der bullige Mann strich sich über das Gesicht. Es sei denn, er will alleiniger Herrscher werden, kam ihm der Gedanke. Mit Prinz Akfat, diesem Grünschnabel, hätte er leichtes Spiel. Nicht so mit dem Kaiser. Wenn der zurückkehrt… Sein nächster Gedanke erschreckte ihn: War es möglich, dass Pierre de Fouché damit rechnete, Pilatre de Rozier würde nicht mehr zurückkehren? Und wenn der Kriegsminister tatsächlich mit den Rebellen gemeinsame Sache machte, warum hatte er ihn dann hierher geschickt?
    Lysambwe fluchte innerlich. Der Junge neben ihm hatte ihn ganz nervös gemacht mit seinen Anspielungen.
    Raschelnde Geräusche und leise Stimmen verhinderten, dass er sich weiter mit der Sache beschäftigte. Er duckte sich tiefer ins Gras und lauschte angestrengt. Sein Späher konnte es nicht sein. Der würde nicht einen solchen Lärm veranstalten. Die Stimmen wurden lauter. »Wie weit willst du denn noch gehen, um den überschüssigen Wein loszuwerden?«, lallte jemand.
    »Ich will dir nur ein wenig Bewegung nach deinem Saufgelage verschaffen!«, erwiderte ein anderer lachend.
    Vermutlich wurde im Lager gefeiert.
    Umso besser, dachte Lysambwe. Dann haben wir nachher ein leichteres Spiel.
    Jetzt begannen die beiden Männer zu singen. Dröhnend schmetterten sie ihr Lied in die Nacht. Im Takt dazu schlugen ihre Macheten oder Säbel aufeinander.
    Lysambwe stutzte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Jahrzehntelange Erfahrung im Kriegshandwerk hatte seinen Instinkt geschärft für Situationen wie diese. Wieder fiel ihm Pierre de Fouché ein. Warum hatte er ihn hierher geschickt?
    Plötzlich griff eine kalte Hand nach seinem Herzen. »Ein Hinterhalt!«, keuchte er und sprang auf. »Ein Hinterhalt!«, brüllte er seinen Männern zu.
    Im selben Moment, da seine Soldaten aus dem Gras schnellten, zeigten sich die Gegner: Die Aufständischen hatten einen weiträumigen Ring um Lysambwes Leute gebildet. Schreiend stoben sie nun aus ihren Verstecken und griffen an. Es schienen Hunderte zu sein. Lysambwe wollte die Verteidigung organisieren, doch zu spät! Er spürte einen dumpfen Schmerz an seinem Hinterkopf. Schwindel ergriff ihn. Er sackte zu Boden.
    Auf dem Rücken liegend sah er einen Moment lang den sternenklaren Himmel. Dann glitt ein Gesicht in sein Blickfeld. Lysambwe keuchte. »Das kann nicht sein!«, stöhnte er. Das Gesicht kam näher.
    »Doch, mein Bruder!«, hörte er es sagen. Dann verschwand es in der Dunkelheit, die den Kommandanten plötzlich umfing.
    ***
    Mitte April 2524, östlich vom Victoriasee
    Die schaukelnden Bewegungen des Kamshaas machten Rulfan schläfrig. Es fiel ihm schwer, die Augen offen zu halten, und der warme Körper Lays vor ihm tat sein übriges, dem wohligen Gefühl der Müdigkeit nachzugeben. Er wusste nicht mehr, wie viele Stunden sie schon geritten waren. Wie dunkle Wellen wühlten sich die Ausläufer des Kilmaaros in das Land. Die Hügelketten schienen kein Ende nehmen zu wollen. Und auch nach dieser hier erwartete Rulfan nur eine nächste.
    Das Straucheln seines Reittieres weckte ihn aus seinem Dämmerzustand. Es hatte wohl Mühe, die letzten Meter der geröllhaltigen Böschung zu erklimmen. Er wollte schon absteigen, als das Kamshaa grunzend Anlauf nahm und mit schlingernden Bewegungen den Kamm des Hügels erreichte.
    Einen Moment lang verschlug es Rulfan den Atem: Unter ihm erstreckte sich eine unendlich weite Ebene aus saftigem Grün, warmen Goldtönen und blauen Klecksen. Kleine Seenplatten, Baum- und Grassavannen veränderten in unregelmäßigen Abständen Farben und Form der Landschaft.
    »Nicht mehr weit nach Taraganda«, flüsterte Lay. Sie bog den Kopf nach hinten und lächelte ihn an. Er küsste sie leicht auf ihre Nasenspitze.
    »Dreißig Nächte!«, brummte Zarr. Er lief neben ihnen; mit seiner Größe und seinem Gewicht hätte er ein Kamshaa unter sich zerdrückt. Chira hielt wie stets Distanz und zeigte dem Zilverbak ihre Zähne. Und Zarr knurrte zurück.
    Der Albino seufzte. Er hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass die beiden wohl nie Freunde

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