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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auch das, was sie tat, als Erzeugnis des Momentes blutigrot gefärbt aus ihr hervor.
    „Du sprichst von Strafe“, sagte ich. „Meinst du damit auch Hafis Aram selbst?“
    „Nein. Er ist ein Kalhur. Ihn haben wir nicht zu richten.“
    „Gehört sein Weib noch zu eurem Stamm?“
    „Ja. Die Dschema (Versammlung der Ältesten) der Dschamikun wird zusammentreten, um das Urteil zu fällen.“
    „Wer wird der Vorsitzende dieser Versammlung sein?“
    „Ich.“
    „Nicht der Ustad?“
    „Nein. Er ist der geistliche Scheik des Stammes. Für weltliche Angelegenheiten bin ich es.“
    „Darf ich der Dschema beiwohnen?“
    „Wir werden dich sogar auffordern, es zu tun.“
    „Darf ich mitsprechen?“
    „Ja, denn du bist als unser Gast ein Dschamiki, und wenn wir dich rufen, beizuwohnen, so haben wir dich damit als würdig anerkannt, das Vorrecht der Ältesten mit uns auszuüben.“
    „So bitte ich, die Angeklagte verteidigen zu dürfen!“
    „Du darfst es; jeder von uns darf es, denn welcher gerechte Richter könnte nur Ankläger und nicht zugleich auch Verteidiger sein? Übrigens hat sich ein besonderer Verteidiger bereits gemeldet.“
    „Wer?“
    „Der Ustad.“
    „Von dem du aber sagtest, daß er über die Angeklagte und das, was sie tat, betrübt sei!“
    „Diese seine Betrübnis wird der Verteidigung nicht den geringsten Eintrag tun. – Da schau! Sie kommen!“
    Man hörte die Schritte vieler Leute, welche zum Tor hereinkamen. Ich konnte zwar nicht die einzelnen Gestalten unterscheiden, aber ich sah, daß es ihrer viele, ja sogar sehr viele waren. Der Peder ging zu ihnen hinab. Ich vernahm aus dem Ton seiner Stimme, daß er ihnen kurze, sehr bestimmte Weisungen erteilte. Dann zerstreuten sie sich nach allen Seiten; wohin, das war in der abendlichen Dunkelheit nicht zu erkennen.
    Hierauf wurden die Fackeln angezündet. Nun war der Platz in der Weise erhellt, daß man deutlich sehen konnte, was auf ihm vorging. Jetzt war er leer. Nur Tifl allein stand da. Er kam bis an die unterste Stufe herbei und sagte zu uns herauf:
    „Sie kommen!“
    „Wer?“ fragte Kara.
    „Die Soldaten.“
    „Doch nicht etwa alle?“
    „Alle! Man hat sie ruhig durch den Duar reiten lassen. Kein Mann ist ihnen begegnet. Die Häuser waren verschlossen. In den Zelten gab es nur einige Frauen, welche ganz genau wußten, wie sie sich zu verhalten und welche Auskunft sie zu geben hatten. Diese Perser werden sich wundern. Sie glauben, es kurz mit uns machen zu können; wir aber werden mit ihnen noch viel kürzer sein. Unser Peder hat nachgeschaut, ob alles in Ordnung ist. Da kehrt er zurück.“
    Der Genannte kam von der dem Garten entgegengesetzten Seite des Hauses her, wo ich das Tor mit den uralten Säulenpfosten gesehen hatte.
    „Ich war im Gefängnis“, sagte er, indem er die Treppe halb erstieg und sich dort auf eine der Stufen niedersetzte.
    „Es gibt hier bei euch ein Gefängnis?“ fragte ich verwundert.
    „Für uns nicht, denn wir brauchen keins. Aber für Fälle wie den, der sich jetzt ereignen wird, sind Räume für unwillkommene Gäste vorhanden, deren wir uns entledigen wollen.“
    „Die Soldaten sollen gefangengenommen werden?“
    „Ja.“
    „Und wenn sie sich wehren?“
    „Dazu finden sie gar nicht Zeit. Ich höre ihre Pferde. Sie sind also schon in der Nähe und werden sogleich dort an dem Tor erscheinen.“
    Wir schauten hin. Zunächst sahen wir zwei Frauen, welche sich von den Persern sehr freiwillig hatten zwingen lassen, ihnen den Weg hier herauf zu zeigen. Sie eilten sofort nach dem Garten, in welchem sie verschwanden. Hierauf kamen die Offiziere, nämlich der Suari juzbaschysy (Rittmeister), der Mülazim ewwel (Oberleutnant) und ein Mülazim sani (Unterleutnant). Der Letztere hatte bei der Jagd auf Hafis Aram den Paß des Kuriers zu bewachen gehabt, und darum hatten Kara und Tifl ihn noch nicht gesehen. Hinter diesen dreien folgten die Kavalleristen, denen die helle Beleuchtung des Vorplatzes gar nicht aufzufallen schien. Auch wurde es von keinem von ihnen beachtet, daß, als sie alle herein waren, irgend jemand hinter ihnen das Tor zumachte. Sie waren, ohne den geringsten Widerstand gefunden zu haben, durch den ganzen Duar geritten und glaubten nun, hier oben auf dieselbe Ergebung in das Unvermeidliche zu treffen. Die Dschamikun waren ihnen als Leute geschildert worden, welche den Frieden liebten und so viel wie möglich jede Streitigkeit vermieden. Es mußte ja leicht sein, so unkriegerischen Menschen

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