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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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daß ich von dem, was sie bewegte, auch ergriffen wurde. Als er den Tempel betrat, verneigten sie sich. Er dankte still und gütig lächelnd mit der Hand und kam dann her zu mir. Mir die Rose gebend und dabei mit der Rechten mein Haupt berührend, sprach er:
    „Friede sei mit dir und mit uns allen! Die Glocken des Gebetes klingen. Dein Herz sei wie die Rose hier. Warum ich dieses sage, das wirst du später hören! Sei heut mit uns ein unbekannter Dschamiki! Wen nur der Himmel kennt, der hat die rauhe Hand der Erde nicht zu fürchten!“
    Hierauf wandte er sich von mir ab und zu der Dschema hin. Ich hörte, daß er sagte:
    „Wir haben noch weitere Gäste zu empfangen. Ich war hoch über den Wald hinaufgestiegen und schaute in das weite Land hinaus. Da sah ich einen Trupp von Reitern, welche in großer Eile aus der Morgengegend kamen. Sie haben den Duar wohl schon erreicht.“
    „Wahrscheinlich sind es Kalhuran, die sich erkundigen wollen, ob ihr Scheik wohl bald zurückkehren werde. Man wird ihnen sagen, daß wir oben sind. Doch was ist das? Warum hat man den Läutenden das Zeichen der Warnung gegeben? Sind nicht Freunde, sondern Feinde angekommen?“ antwortete der Peder.
    Das Glockenläuten hatte nämlich plötzlich aufgehört, doch ohne daß die Glocken schwiegen. Sie sprachen in einzelnen, auseinandergehaltenen Schlägen weiter, ungefähr so, wie bei uns im Abendland, wenn von dem Turm Feuer gemeldet wird. Und jetzt sah man einen Reiter kommen, der sich in größter Eile auf das erste beste ungesattelte Pferd geworfen hatte. Er achtete der Krümmungen des Weges nicht, sondern trieb das Tier trotz der Steilheit der Matte in gerader Richtung auf den Tempel zu. Sobald er sich vernehmlich machen konnte, hörten wir ihn rufen, konnten aber die Worte nicht verstehen. Sie schienen aber nichts Gutes zu enthalten, denn die am untern Park befindlichen Dschamikun, die sie deutlich vernommen hatten, erhoben ihre Stimmen in zorniger Weise, um die Botschaft schnell weiterzugeben. Sie ging von Mund zu Mund, bis wir sie hörten:
    „Ghulam el Multasim, der Bluträcher, ist im Duar!“
    Eine so feindliche Kunde mitten in die Klänge des Friedens hinein! An jedem anderen Ort hätte sie gewiß eine augenblickliche und große Verwirrung hervorgebracht. Hier nicht. Der Ustad trat vor die Säulen hinaus und hob die Hand empor. Da trat augenblicklich tiefste Stille ein. Hierauf ging er auf die Dschema zu und sagte:
    „Bleiben wir ruhig! Wer hat den Türdrücker zum Gewölbe der Gefangenen?“
    „Ich habe ihn hier“, antwortete der Peder.
    „So kann der Rächer nicht zu ihnen. Wir haben Zeit. Warten wir, was der Bote sagt!“
    Dieser war am Blumenpark vom Pferd gesprungen und zu Fuß herbeigeeilt. Er kam soeben die Stufen herauf und meldete:
    „Ghulam el Multasim ist da! Einige große Herren sind bei ihm und auch noch bewaffnete Leute, zusammen zwölf Personen. Ich stand mit meinem Sohn am Eingange des Duar, als sie kamen. Sie fragten nach euch.“
    „Sind sie nach dem hohen Haus?“ erkundigte sich der Ustad.
    „Nein. Ich wies sie hier herauf und gab ihnen meinen Sohn als Führer mit. Ich wollte sie vom hohen Haus abhalten, weil es jetzt dort nur wenige Männer gibt. Dann nahm ich das Pferd und ritt zu euch herauf, gleich quer den Berg heran, um ihnen zuvorzukommen. Aber die Gärten hinderten mich. Die Perser werden wohl sofort erscheinen!“
    Ja, sie erschienen. Sie hatten soeben die Matte erreicht und hielten einen Augenblick an, um das Terrain zu beurteilen. Dann setzten sie sich wieder in Bewegung. Sie hatten einen Entschluß gefaßt; welchen, das sollten wir sogleich sehen.
    Der Park war ihnen im Weg. Sie wollten nicht absteigen, sondern ihre Befehle den Dschamikun vom Sattel herab erteilen. Darum ritten sie um ihn herum. An der hintern Seite angekommen, brachen sie durch die Rosen und kamen zwischen den Säulen zu uns herein, um ihre Pferde grad vor der Dschema anzuhalten.
    Ein Dutzend Personen! Niemand fürchtete sie, obgleich sie, wie man zu sagen pflegt, bis an die Zähne bewaffnet waren. Aber es war nicht nur die Störung des Festes, auf welches sich jedermann gefreut hatte, zu beklagen, sondern der so unerwartete Einbruch des Bluträchers konnte auch außerdem sehr leicht noch Folgen haben, die jetzt nicht vorauszusehen waren. Ghulam stand im Ruf der Grausamkeit, und als Grausamer war er feig. Die Feigheit greift sehr gern zur Hinterlist. Was führte er im Schilde? Von den zwölf Reitern hatten einige das Aussehen

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