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220 - Die Reise nach Taraganda

220 - Die Reise nach Taraganda

Titel: 220 - Die Reise nach Taraganda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Topfpalmen. Laufgänge verbanden die Flachdächer miteinander. Auf dem rechten Drittel des Daches, auf dem sie landeten, erkannte er eine Bodenöffnung und eine abwärts führende Treppe.
    »Was hältst du davon?« Farah hakte sich bei ihm ein. Sie hatte den größten Teil des Fluges mit ihren Freundinnen an der Cockpittür verbracht und Rajid und dem Kopiloten, einem Vetter, bei der Arbeit zugeschaut. »Ist das nicht ein origineller Ort für ein Fest?«
    »Das kann man wohl sagen.« Ostwald nickte. Die Shawnee setzte samtweich auf. Die Gäste applaudierten. Das Rotorengedröhn verstummte. »Wo sind wir hier?« Ostwald deutete hinaus. Auf der »Landebahn« hatten sich mehrere barock gekleidete Lakaien mit weißen Perücken versammelt. Er fühlte sich fast wie in einen historischen Film versetzt.
    »In Zanda, der Stadt der Geheimnisse.« Farah deutete zur Luke. Rajid und der Vetter öffneten sie gerade.
    Heiße Luft drang in die luxuriöse Kabine. Farahs Freunde machten »Puuh!« Junge Männer sprangen ins Freie und halfen den kichernden Damen hinaus.
    Wie Ostwald erfuhr, hielten sich der engere Familienklüngel und Teile der Dienerschaft schon länger hier auf. Mehrere Vettern und Cousinen wohnten ständig in der labyrinthischen, an einen Pueblo erinnernden Stadt: Sie und die dienstbaren Geister hielten Zanda in Schuss und sorgten dafür, dass niemand hinter ihre Geheimnisse kam.
    »Was sind das für Geheimnisse?« Ostwald blieb in der Luke stehen und schaute sich um. Die sie umgebenden Bäume ragten über das Dach hinaus. Sie spendeten ebenso Schatten wie die Topfpalmen, die wohl nur aus Gründen der Tarnung existierten.
    Lakaien mit Silbertabletts gingen durch die Reihen der Ankömmlinge und boten Champagner und Orangensaft an. Die Gäste plapperten durcheinander. Niemand schenkte der phantastischen Umgebung einen Blick. Alle wirkten so, als seien sie schon hundert Mal hier gewesen.
    »Für Geheimnisse sind meine Brüder zuständig.« Farah ging von Bord. Ostwald folgte ihr. Ein schwarzer Lakai hielt ihnen ein Tablett hin. Sie bedienten sich und gingen mit den Gläsern an den Rand des etwa vierhundert Quadratmeter großen Daches, das mit einer meterhohen gemauerten Brüstung versehen war.
    »Das größte Geheimnis ist Zanda selbst – weil nämlich außer unserer Familie niemand etwas von der Existenz dieser Stadt weiß.«
    »Und natürlich deine Gäste und die Dienerschaft.«
    »Auch die Dienerschaft gehört zur Familie.«
    Ostwald schaute in das blaugrüne Wogen des Urwalds hinaus.
    »Was die Gäste angeht…« Farah zuckte die Achseln. »Keiner von denen weiß, wo wir sind. Die wissen nicht mal, in welchem Land wir gerade sind. All diese Leute gehören zur Oberschicht. Für die gibt es keine Grenzen. Und was hätten sie davon, wenn sie jemandem erzählen, was es hier zu sehen gibt? Glaubst du, die sind auf Massentourismus aus?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Die sind froh, dass sie einen Ort haben, an dem sie ungestört unter sich sein können.« Ein spitzbübisches Lächeln legte sich auf ihre Lippen. »Außerdem… Wer würde ihnen glauben? Seit Henry Rider Haggard gehen auf diesem Kontinent Geschichten über tausend versunkene Städte um, von denen niemand weiß, ob sie je existiert haben.«
    Beim Anflug hatte Ostwald eine Art Kraterrand gesehen. Sie schienen sich in einem Kessel zu befinden, in den man nur von oben hineinschauen konnte. Irgendwann hatte sicher eine Straße nach Zanda hineingeführt. Existierte sie nicht mehr? War sie verschüttet worden? In südamerikanischen Urwäldern gab es Dutzende von Städten, die man nach einer Naturkatastrophe aufgegeben hatte.
    »Und die Spionagesatelliten der Amis?«
    »Die suchen die Kräfte des Bösen in Pakistan.«
    Hinter ihnen räusperte sich jemand. Farah und Ostwald drehten sich um. Da stand eine männliche, ebenfalls sehr ansehnliche Version Farahs und grinste. Jussuf. Seine Pupillen waren so klein wie die eines Menschen, der von Koks lebt.
    »Wie alt wirst du noch mal, Schwesterchen?«
    »Jussuf!« Farah fiel ihm um den Hals. Die beiden sprachen Französisch. Jussuf tätschelte ihren Po. Ostwald fand ihn unausstehlich.
    »Und wer ist der hübsche Alte, den du mitgebracht hast?«
    Ostwald fiel ein, dass er als Fünfzehnjähriger auch Zwanzigjährige für alt gehalten hatte.
    Farah boxte ihrem Bruder lachend in die Rippen. »Ja, so ist er, der Kleine! Er heißt Jussuf und hat noch nie eine Moschee von innen gesehen. Er hat auch keinen Respekt vor dem

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