2200 - Der Sternenbastard
ich die Kiste hoch, auf Expressebene in achtzig Metern Höhe, und beschleunigte auf halbe Schallgeschwindigkeit Der Weg dauerte eine Ewigkeit. Ich versuchte mehrfach, Thereme anzufunken. Sie gab keine Antwort. Über die Küstenlinie des Binnenmeers, vorbei am 111 Khasurn-Sitz der Zoltrals, zum Anwesen des Khilur da Ragnaari. Über den Kronen der Bäume hingen Wachgleiter.
Ich verfluchte mich selbst, presste meinen ID-Chip an den Gleitersyntron und strahlte die Identifikation ab. Sie gaben mir den Weg frei.
Mit viel zu hohem Tempo zog ich runter, verzögerte, ließ den Rumpf über die Wiese schlittern. Vor dem Gebäude mit Theremes Wohnung brachte ich die Maschine zum Stillstand. „Festhalten, Kehmi!"
Der Marder krallte sich in den Jackenkragen. Ich schlüpfte in neurotischer Panik raus, rannte und knallte um ein Haar gegen die Tür.
Der Öffnungsmechanismus war auf meinen Daumendruck frei geschaltet. Vor mir glitt die Tür beiseite. Völlige Stille empfing mich. Ich blieb stehen und horchte. „Thereme?" Keine Antwort. „Kleine, ich bin's, Kant!"
Sie war nicht da. Ich betrat unschlüssig das Schneiderzimmer mit dem unergründlichen Durcheinander, dem Hauch von Chiwan und den zerfaserten Stoffbahnen auf jedem Tisch. Nichts.
Dann ein winselndes Geräusch von Raffid. Aus der Schlafkammer.
Ich schob mit trommelndem Herzschlag die Tür zur Seite. Im selben Moment hing das Possonkal an meinem Hosenbein. Aber ich war nicht in der Lage, Raffid zu ... Ich war zu gar nichts in der Lage.
112 Thereme lag auf dem Bett. Es roch nicht nach Chiwan, ihrem Parfüm, sondern nach etwas anderem.
Sie bewegte sich nicht. Ich machte mir weis, dass sie nur schlief. Über ihrem Gesicht, dem wunderschönsten von allen, lag eine wächserne Blässe, das unvergleichliche Braun ihrer Haut wirkte wie mit Mehl bestäubt. Ich hatte Thereme nie so gesehen.
Mit einer unbewussten Bewegung wischte ich meine Augen frei, ein Sturzbach von Tränen, während ich das Beben der Erde und den kreischenden Lärm meiner Ohren unter Kontrolle brachte.
Der Augenblick dauerte ewig. Solange ein Sternenbastard die Luft anhalten konnte, ohne den Verstand zu verlieren, ohne unter einem irrsinnig machenden Druck zu explodieren.
Sie hatte keinen Puls. Ihr Körper war kühl.
Mit den Daumen strich ich über ihr ebenmäßiges Gesicht, ich zog in einem Versuch, ihre Würde zu wahren, das hautenge Kleid über die Knie runter.
Das Funkgerät an ihrem Handgelenk vibrierte in regelmäßigen Abständen. Kantiran, las ich auf dem Display. Zahl der Anrufe 21.
Ich stellte das Vibrieren ab.
Raffid winselte. Immer weiter. „Mal", hörte ich eine erstickte, fremd klingende Stimme ins Mikrofon meines Armbandes flüstern, „du musst kommen. Thereme ist tot."
*
Arkon 30. Januar 1331 NGZ 113 „Warum sind hier keine Mediker?", fuhr Detair mich an. Der Tonfall brachte mich zur Besinnung.
Ich wusste keine Antwort. Warum nicht?
Detair hockte sich ans Bett und untersuchte sie.
Nachdenklich starrte er auf den knappen Schnitt ihres Kleides. „Sie hatte noch Zeit, sich anzukleiden.
Anscheinend wollte sie Eindruck machen."
„Ein Termin bei Khilur", murmelte ich. „Jedenfalls scheidet Selbstmord aus, sie hatte ja Pläne. Sieht aus wie Herzstillstand. Kurz nach dem Aufwachen, schätze ich."
Ich verfolgte seine ekelhaften, geschäftsmäßig wirkenden Handgriffe aus einer Ecke, die Hände in den Hosentaschen geballt. Meine Stimme wollte schreien. Mein Herz wollte aufhören zu schlagen und ihr dorthin folgen, wo sie war. „Kant. Riechst du das auch?"
„Was denn?"
„Riechst du's oder nicht?"
„Ich ... Was denn? „Kein Wort mehr. Ich blickte Detair mit offen stehendem Mund an und folgte ohne Verstand seinem schnüffelnden Kreuzen durch den Raum. „Ein ganz typischer Geruch. Ich hatte das schon mal. Riecht wie Trevipern."
„Was?"
„Na, Trevipern. Ziemlich exotische Stechinsektenart. Extrem selten, extrem kostspielig. Treviperngift ist praktisch nicht nachweisbar und führt zum Herztod. Adlige benutzen das manchmal, wenn sie einen 114 Konkurrenten beseitigen. Ich hatte mal ein paar Exemplare in Pflege."
„Das meinst du jetzt nicht ernst, Mal!"
„Jemand hat sie ermordet", beharrte Detair. „Wer dafür verantwortlich ist, kann nicht arm gewesen sein."
„Khilur?"
„Natürlich nicht. Der hätte andere Möglichkeiten."
Von draußen hörte ich zischende Gleitertüren, aufgeregte Stimmen. Mediker traten ein, mit professioneller Ruhe, stellten aber nur
Weitere Kostenlose Bücher