2207 - Der letzte Gesang
Pfeile angebracht waren, platzten und ihren Inhalt freigaben. Lichttropfen regneten auf die Motana herab. Die Tropfen erinnerten Rhodan an Schwärme von Glühwürmchen. Ein wenig zumindest, hatte der Terraner dochin seinem langen Leben noch nie so viele Glühwürmchen gesehen, geschweige denn eine vergleichbare Farbenpracht.
Ein Lichttropfen fiel ihm auf die Schulter, rollte den Oberarm herunter, dann ein zweiter und dritter. Rhodan fing die Lichttropfen auf, barg sie in den Händen und wärmte sich an ihnen. Die Motana stimmten ein neues Lied an.
Rhodan kam es so vor, als ob ein Chor von Engeln sänge.
Als die letzten Tropfen auf die Zuschauer herabregneten, lösten die Lichtner die nächste Phase ihres Schauspiels aus. Rhodan glaubte einen Augenblick lang, hoch in den Kronen der Baumriesen Gestalten geschäftig hin und her eilen zu sehen, dann verging seine Wahrnehmung in Kaskaden von Licht. Wie glühende Lava rannen Ströme von Lichttierchen die Stämme der Baumriesen herab, verwandelten sie in gewaltige, in allen Regenbogenfarben glitzernde Säulen. Die Kaskaden erreichten den Boden der Residenz, begrüßt von einem freudigen Aufschrei der Menge.
Als bestünden sie aus brennendem Öl, flössen die Kaskaden weiter, zwischen den sitzenden Motana hindurch auf die Plattform in der Mitte zu. Die Lichtströme erreichten den Fuß der Plattform, verharrten einen Augenblick und breiteten sich dann über die gesamte Holzfläche aus.
Es war das Zeichen dafür, dass die Darbietungen begannen. Es gab kein festgelegtes Programm - zumindest keines, von dem Rhodan erfahren hätte -, keine Ansprachen oder Reden. Den Motana waren die Formalien, die sich auch nach beinahe dreitausend Jahren der Raumfahrt unter den Menschen und ihren Abkömmlingen hartnäckig hielten, unbekannt. Die Kissen, auf denen Rhodan, Atlan und die Wegweiserinnen ruhten, waren das Äußerste, was die Motana ihren Anführerinnen an Privilegien zustanden.
Alles was darüber hinausging, wie das Nest der Planetaren Majestät, ergab sich aus Notwendigkeiten: Die Herrscherin brauchte schließlich einen Ort, an dem sie in Ruhe nachdenken, ihren Regierungsgeschäften nachgehen und sich mit ihren Wegweiserinnen besprechen konnte.
Eine Frau trat auf den Lichtteppich der Bühne. Einige Sekunden lang blieben die Abdrücke ihrer Füße als dunkle Flächen sichtbar, dann füllten die Lichttierchen sie wieder aus. Im melodischen Singsang der Motana erzählte die Frau, wie die tapferen Bewohner der Residenz vor drei Tagen die Goytani in die Falle gelockt hatten, wie sie selbst sich von einem Nest abgeseilt hatte und um ein Haar von einem der Panzerwesen zerrissen worden wäre, als sie über eine Wurzel gestolpert war.
Ihr Vortrag war mitreißend, gespickt mit lebendigen Einzelheiten, doch Rhodan fiel es schwer, sich auf ihn zu konzentrieren. Zu schwer lastete die Nervosität auf ihm. Er drehte den Kopf. So weit sein Blick reichte, saßen die Motana im Schneidersitz und lauschten gebannt der Erzählung, viele von ihnen mit geschlossenen Augen. Schräg über sich sah Rhodan das Nest der Planetaren Majestät hängen. „Die Majestät besitzt einen eisernen Willen", hatte Zephyda ihm und Atlan auf Nachfrage erläutert, „doch selbst dieser genügt nicht, um ihre alten Knochen dazu zu zwingen, die lange Nacht eines Fleischfests durchzustehen. Sowenig es ihr behagt, ihr bleibt keine andere Wahl, als die Darbietungen von ihrem Nest aus zu verfolgen. Dort hat sie eine spezielle Liege und kann sich zurückziehen, falls ihre Kräfte nachlassen sollten." Zephyda hatte Rhodan fixiert. „Aber sie lässt euch ausrichten, dass sie aufs Höchste gespannt ist, gerade auf deine Darbietung, Perry. Ihr sind zahlreiche Berichte über deine Vorbereitungen zu Ohren gekommen."
Die Frau trat von der Bühne. Die versammelten Motana bedankten sich für ihre Erzählung mit einem jubilierenden Gesang.
Der nächste Erzähler kam auf die Bühne, ein Koch aus der Gemeinschaftsküche der Residenz. Er sang von den langen Stunden, die er und die übrigen Köche mit der Zubereitung der Goytani für das Fleischfest verbracht hatten, von überkochenden Töpfen und anderen Missgeschicken - wie von dem der Köchin, der eine zuckende Goytaniklaue eine Wunde in den Arm gerissen hatte, als sie sich über den Topf beugte, um die Soße abzuschmecken.
Rhodan wusste nicht recht, ob die Geschichte ernst gemeint wahr, und tröstete sich schließlich mit dem Gedanken, dass die Motana ein entspanntes Verhältnis
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