2207 - Der letzte Gesang
dass er an die Grenzen seiner Möglichkeiten stieß. Die meisten Übergriffe würden ihm nie zu Ohren kommen, vertuscht von Soldaten, denen die Kameradschaft über Gehorsam ging.
Es gab Momente, in denen Karter zu verzweifeln glaubte. Über Kameras verfolgte er, wie die verletzten Minenarbeiter in die Krankenstation gebracht wurden. Medöroboter nahmen sie in Empfang und behandelten sie unverzüglich. Die Augen weit aufgerissen und in ungläubigem Staunen ließen die Motana das Wunder über sich ergehen. Es war unerhört, dass die Kybb-Cranar sich um Kranke oder Verletzte kümmerten, und es fiel den Arbeitern schwer, ihr Glück zu begreifen.
Und dazu die märchenhafte Technik!
Verletzungen, die eigentlich den sicheren Tod bedeuteten, wurden in Minutenschnelle gerichtet. Krankheiten - Karter hatte beschlossen, seine Aktion so breit wie möglich anzulegen und auch gewöhnliche Kranke behandeln zu lassen -, die seit Monaten und Jahren peinigten, verschwanden wie von Geisterhand.
Und wie groß war die Überraschung erst, als die Direktorin der Minen einem Teil der Motana verkündete, sie dürften die Minen verlassen. Sie hätten ihren Teil getan, beschied sie den Motana. Ihre Gesundheit ließe es nicht mehr länger zu, dass sie der schweren Arbeit in den Minen nachgingen.
Die Motana wurden in Gruppen zu drei oder vier Männern und Frauen eingeteilt und in Gleiter verladen. Die Transporte stiegen auf und nahmen unverzüglich Kurs auf den Wald von Pardahn. Schluchzende Gesänge klangen auf, als die Motana im ersten Licht der Dämmerung ihre Heimat erblickten, die sie niemals wieder zu sehen geglaubt hatten. Die Gleiter setzten die Arbeiter am Waldrand ab, in genau definierten Abständen, so dass sie gewissermaßen einen Ring um das gesamte Gebiet bildeten.
Der Gouverneur gab den Befehl, die Jagd augenblicklich einzustellen, lehnte sich in seinem Gel-Sessel zurück und wechselte zu einer neuen Darstellung.
Ein Holo, das den Wald von Pardahn aus der Vogelperspektive zeigte, erschien.
Die Gruppen der ausgesetzten Motana waren mit leuchtenden Punkten markiert, die sich wie eine Perlenkette um den Wald zogen. „Jetzt aber los! Zeigt, was in euch steckt!"
Karter lehnte sich zurück, tauchte seine Stacheln tief in das jetzt mit einem stimulierenden Mittel versetzte Gel und sah zu, wie sich das Schauspiel vor seinen Augen entfaltete.
Bereits mit der ersten Injektion, die die Verletzten und Kranken auf der Station erhalten hatten, waren ihnen neben Antibiotika verschiedene Nanomaschinen gespritzt worden. In der Blutbahn fanden die winzigen Agenten zusammen und formten innerhalb kürzester Zeit einfache Peilsender. Das Holo, in das Karter blickte, zeigte in Echtzeit die aus ihren Signalen ermittelten Standorte.
Die Sender waren winzig. Die Motana konnten ihre Existenz unmöglich spüren, und natürlich fehlten ihnen die technischen Mittel, sie aufzuspüren.
Dennoch rechnete Karter nicht mit einem raschen Erfolg. Die Motana misstrauten den Kybb-Cranar zutiefst, und die plötzliche Sorge um ihr Wohlergehen musste unweigerlich ihren Argwohn geweckt haben.
Die meisten Gruppen verharrten an Ort und Stelle und warteten ab. Einige drangen tiefer in den Wald ein, aber ohne klares Ziel, auf wirren, immer wieder Haken schlagenden Routen, die für Karter nicht verwertbar waren. Nach einer Stunde geschah schließlich, worauf der Gouverneur gehofft hatte: Die ersten Gruppen teilten sich auf, einzelne Motana gingen ihre eigenen Wege.
Er wartete ab, bis drei von diesen längere Zeit auf denselben Punkt innerhalb des Waldes zuhielten, dann nahm er Kontakt mit dem Kommandanten des Flottenverbands auf, den er für diesen Einsatz in Bereitschaft gehalten hatte.
Er übermittelte dem Mann die Koordinaten, die er dadurch erhalten hatte, dass er die Zielrichtungen der drei von übermächtigem Heimweh geplagten Motana verlängerte. An dem Punkt, an dem sich die drei Geraden kreuzten, musste sich die sagenumwobene Residenz von Pardahn befinden. Der Ort, an dem Raphid-Kybb-Karter die der fehlenden zehntausend Motana einzufangen gedachte.
Der Kommandant bestätigte die Koordinaten und sagte: „Gut, ich lasse die Paralysatorgeschütze bereitmachen."
Karter hob abwehrend die Hand. „Nein, nicht die Geschütze. Das Risiko, dass viele Motana an einer Überlast sterben, ist zu groß. Schick deine Soldaten, Kommandant! Ich bin sicher, sie werden die Abwechslung vom langweiligen Routinedienst im Orbit zu schätzen wissen."
Der Kommandant
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