2213 - Der Traum von Gon-Orbhon
minutenlang wie versteinert da. Dann stand er abrupt auf. Der Schacht! Saghas Nachricht war direkt am Schacht gewesen! Sie musste zumindest dort gewesen sein. Vielleicht fand er ja Hinweise darauf, wo sie sich jetzt befand.
Der Techniker lief aus dem Gebäude, stieg in seinen Antigravgleiter und startete mit höchster Beschleunigung.
Mittlerweile hatte es wieder zu regnen begonnen. Aus den tief hängenden schwarzen Wolken stürzte eine wahre Flut über die Stadt herab. Die Sicht beschränkte sich auf wenige hundert Meter. Dennoch konnte er Sagha schon früh sehen. Sie stand unmittelbar vor der Schachtöffnung und blickte zu ihm hoch.
Er verzögerte und landete etwa fünfzehn Meter von ihr entfernt. Irgendetwas an ihr irritierte ihn. Sie war ungewöhnlich blass. Das Haar klebte ihr am Kopf.
Das Regenwasser lief an ihr herab und durchnässte ihre Kleidung. Es schien sie nicht zu stören. Sie trug eine Art Cape über weiten Hosen, die an den Seiten mit Fransen versehen waren. Auf ihrem rechten Hosenbein lief die Werbung für Käse. Auf dem anderen Hosenbein flimmerte das Bild eines ovalen Sees mit einem Schwert. Er empfand die Bilder als außerordentlich unpassend. „Sagha!", rief er, während er ausstieg und sich ihr näherte. „Was ist geschehen?"
„Bleib bitte stehen, Papi", gab sie zurück. „Bitte - wenn wir miteinander reden wollen, musst du stehen bleiben."
Er tat, was sie verlangte. Das Regenwasser rann durch die Gräben und floss in breiten Strömen in den Schacht hinein. Es verschwand gurgelnd in der Tiefe. „Ich habe geträumt", sagte sie mit eigenartig hohl klingender Stimme. „Danach war alles anders. Im Traum habe ich das Bild des Gottes Gon-Orbhon gesehen, wie er über einem See schwebte. Da war auch die zur Hälfte sichtbare Klinge eines mächtigen Schwertes."
„Sagha, du kannst dich befreien, wenn du willst. Niemand kann so stark sein, dass er dir deinen Willen nehmen kann."
„Gon-Orbhons Augen waren geschlossen, aber er wird seine Augen öffnen. Er ist ein furchtbares, allmächtiges Wesen. Seine Blicke werden töten und alles auslöschen, was lebt."
„Unsinn, Sagha. Komm zu dir. Dieser verfluchte Carlosch Imberlock hat dich verwirrt. Er will dir etwas einreden, was nicht wirklich ist. Diesen Gott Gon-Orbhon gibt es nicht."
„Oh doch, Papi. Es gibt ihn. Aber er wird mich nicht bekommen. Mich nicht. Ich will frei sein, aber ich will nicht gehen, bevor ..."
In jähem Entsetzen erkannte Theorod Eysbir, was seine Tochter vorhatte. „Nein!", schrie er. „Sagha, das darfst du nicht tun. Du bist ein freier Mensch.
Du hast einen starken Willen. Wehre dich!"
„Ich liebe dich, Vater!" Ein trauriges Lächeln spielte um ihre Lippen. Sie hob die Arme, und das Cape öffnete sich über ihrer Brust. Auf dem Stoff ihrer Bluse erschien das Bild von Carlosch Imberlock, doch es blendete schon bald über in das Symbol des Gottes Gon-Orbhon. „Ich liebe dich!"
Sie ließ sich rückwärts in den Schacht fallen. Lautlos. Schluchzend brach Eysbir zusammen. Er presste die Hände vor das Gesicht und fühlte den Regen nicht, der auf seinen Rücken trommelte. Wie erwartet bäumte sich der Boden unter ihm auf, und eine Stichflamme schoss aus dem Schacht, als die Sprengladung explodierte, die Sagha an ihrem Körper getragen hatte.
Eysbir krampfte sich zusammen. Eine Hitzewelle rollte über ihn hinweg. Dann war es auch schon vorbei. Der Boden sackte um einige Zentimeter ein, und es bildeten sich einige Risse. Regenwasser floss darin ab. Es spielte keine Rolle mehr. Wohin auch immer das Wasser rann, es konnte keinen Schaden mehr anrichten, denn die Positronikbausteine tief unten in der Erde waren längst zerstört. Die Explosion hatte nicht nur Sagha getötet, sondern auch noch die letzten Reste unbrauchbar gemacht, die möglicherweise dem Wasser und Schmutz noch widerstanden hatten. „Das wirst du mir büßen, Carlosch Imberlock", schwor der Techniker. „Du und deine Jünger. Du hast mir meine Tochter genommen, dafür wirst du mit deinem Leben bezahlen."
7.
4:43 ... 4:42 ... 4:41 ...
Mondra Diamond wünschte, sie hätte die Kraft, in eine andere Richtung zu blicken als immer nur auf den winzigen Monitor des Zünders. Sie wollte die Zahlen nicht mehr sehen. Sie wollte gar nicht wissen, wie lange es noch dauerte bis zur Explosion. Aber sie war noch nicht einmal in der Lage, die Lider zu schließen. 4:22 ... 4:21 ... 4:20 ...
Was war nur mit den Jugendlichen geschehen? Sie waren zu
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