2213 - Der Traum von Gon-Orbhon
sein.
Der Techniker schob seine Hand in die Hosentasche, legte sie um den Kolben der Waffe und schloss sich einer kleinen Gruppe von Frauen an, die dem Eingang der zeltartigen Halle zustrebten.
Sie beachteten ihn nicht. Sie sprachen leise miteinander. Hin und wieder vernahm er den Namen Gon-Orbhon. Er verstand sie nicht. Warum nur ließen sie sich den Kopf von einem wie Carlosch Imberlock verdrehen? Geschah es, weil er ihnen Erlösung verhieß, wenn sie ihm folgten, und mit Vernichtung drohte, wenn sie es nicht taten? Er betrat die Halle. Sie war bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf einer Bühne trat soeben ein schwarz gekleideter Mann vom Rednerpult zurück, von dem herab er bisher zu der Versammlung gesprochen hatte.
Eine ebenfalls schwarz gekleidete Frau übernahm seinen Platz an den Mikrofonen. Sie war nicht sehr groß, knabenhaft schlank, fast zierlich, und machte dennoch einen kräftigen Eindruck. Das blonde Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Ihre Haltung verriet Selbstbewusstsein, und der Blick ihrer großen blauen Augen schien die Versammlung in ihren Bann zu schlagen.
Diese Frau war eine Anhängerin von Carlosch Imberlock, und sie war besonders gefährlich, weil sie eine führende Rolle übernommen hatte. Sie schwamm nicht im Strom mit, sondern sie griff aktiv in das Geschehen ein, indem sie versuchte, die Menschen noch enger an die Sekte Gon-Orbhons zu binden.
Zwischen einigen Büschen stellte Mondra ihren Antigravskater ab und legte die letzten Schritte bis zur Halle zu Fuß zurück. Eine Gruppe Frauen zog an ihr vorbei, leise miteinander redend. Unsichtbar in ihrem Deflektorfeld folgte sie ihnen durch den Eingang.
Die Halle war bis auf den letzten Platz gefüllt. Mondra hatte Mühe, einen Winkel zu finden, von dem aus sie das Geschehen beobachten konnte, ohne mit irgendjemandem zusammenzuprallen. Sie wollte nicht entdeckt werden. Sie wollte unsichtbar bleiben, um unauffällig herauszufinden, was mit Bre geschehen war.
Ein korpulenter Mann hielt eine Rede, die sie als recht langweilig empfand. Er brachte nichts Neues, sondern wiederholte nur, was Carlosch Imberlock gesagt hatte. Er versprach die Erlösung für jene, die an den neuen Gott glaubten, und drohte Auflösung für jene an, die es nicht taten.
Mondra hörte kaum zu. Sie blickte in die Runde und suchte nach der Freundin, die hier irgendwo sein musste. Als sie die Xenopsychologin nicht finden konnte, erwog sie schon, ihren Skater zu holen, um unsichtbar über der Versammlung schweben zu können. Von einer derart erhöhten Position aus ließ sich Bre sicherlich leichter ausfindig machen.
Der Redner trat vom Pult zurück und machte Platz für seine Nachfolgerin.
Mondra Diamond hielt den Atem an. Sie glaubte, ihren Augen nicht trauen zu dürfen. Bre Tsinga näherte sich den Mikrofonen. Sie war vollkommen schwarz gekleidet, sodass ihr blondes Haar besonders hell erschien. Bre!
Die Freundin war nicht nur Anhängerin Carlosch Imberlocks geworden. Sie war zu einer Art Priesterin avanciert.
Bre Tsinga sprach davon, dass sie einen Traum gehabt hatte von einem silbern schimmernden See mit einem halb versunkenen Schwert darin und der Gestalt eines Mannes, der darüber schwebte. Sie beschrieb die Faszination, die von diesem Traum ausgegangen war. „Ich kann und will mich ihr nicht mehr entziehen!", rief sie der Versammlung zu.
Mondra hörte staunend zu. Mehrfach hatte sie von Anhängern der Sekte gehört, dass sie geträumt hatten.
Diesem Hinweis hatte sie jedoch keine Bedeutung beigemessen. Sie selbst hatte diesen Traum gehabt.
Allerdings hatte sie sich aus der Faszination lösen können und war ihr nicht erlegen.
War es dieser Traum, der die Menschen zu Gläubigen des Gottes Gon-Orbhon machte? War der Traum das geistige Mittel, mit dem Carlosch Imberlock Zugang zu den Menschen fand und mit dem er sie in seinen Bann zog? Genauso schien es zu sein. Geradezu fassungslos verfolgte Mondra die Rede ihrer Freundin. Sie kannte die Xenopsychologin als starke Persönlichkeit. Nie und nimmer hatte sie damit gerechnet, dass ausgerechnet sie der Sekte zum Opfer fallen würde.
Sie versuchte sich vorzustellen, was geschehen war, welches Ereignis den geheimnisvollen Traum begleitet hatte. Es wollte ihr nicht in den Kopf, dass der Traum allein genügt haben könnte, Bre sogar zu einer Priesterin der Sekte zu machen. Ausgerechnet sie, die als Psychologin mit allen nur erdenklichen Tricks auf diesem Gebiet vertraut war.
Plötzlich übertönte ein Schrei
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