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223 - Die Sünden des Sohnes

223 - Die Sünden des Sohnes

Titel: 223 - Die Sünden des Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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vollkommen überrumpelt worden. Sie hatte geschrien, gestöhnt und gelallt, und fast hätte Aruula die Macht über ihre Zunge zurück gewonnen. Doch nach wenigen Sekunden war Nefertari wieder die Herrin in Aruulas Hirn gewesen.
    Danach schlief sie. Als die Sonne am höchsten stand, schlug sie die Augen auf. Aruula sah, dass Maddrax und Rulfan besorgt zur ihr herüberäugten. Wie sehnte sie sich danach, nur ein Wort mit dem so lange vermissten Geliebten sprechen zu können! Doch die Königin behielt die Herrschaft über ihren Körper.
    Irgendwann stand Nefertari auf, ging ans Gondelfenster gegenüber dem Kartentisch und blickte hinaus. Die Sonne näherte sich schon dem westlichen Horizont. Eine schier endlose Wasserwüste breitete sich hundert Meter tief unter dem Luftschiff aus. Über welches Meer fliegen wir?, dachte Nefertari.
    Aruula nahm an, dass sie in südliche Richtung über den Victoriasee flogen, doch das verriet sie der Anderen nicht. Sie hielt den mentalen Schutzwall aufrecht, hinter den sie sich zurückgezogen hatte.
    Nefertari wandte sich an Maddrax. »Was ist das für ein Meer?«, wollte sie wissen.
    Wieder bemerkte Aruula den sorgenvollen Blick, den die Männer austauschten. Menschen in Gegenwart eines Kranken sahen einander manchmal auf diese Weise an. »Kein Meer«, beschied ihr Maddrax. »Der Victoriasee. Von dem hast du doch gehört, Aruula. Nach ihm ist Prinz Victorius benannt.« Erwartungsvoll sah der blonde Mann sie an. Nefertari nickte nur, ging zurück zum Wandschrank hinter dem Steuerruder und setzte sich dort auf den Boden.
    Von diesem Maddrax habe ich aus deinem Geist erfahren, dachte sie. Er ist dein Geliebter. Doch wer ist der bleiche Kerl mit den roten Augen und dem weißen Langhaar? Aruula reagierte nicht. Und welche Rolle spielt dieser Victorius? Bei allen guten Geistern des Sonnengottes – rede endlich!
    Gib mir erst die Macht über meine Zunge zurück, damit ich mit ihnen sprechen kann, raunte Aruula in Nefertaris Bewusstsein hinein. Danach erkläre ich dir alles, was du wissen willst.
    Ich kann dich aus deinem Körper vertreiben, du weißt es, dachte die Andere. Also rede!
    Gib mir meinen Körper zurück, und ich verhelfe dir zu einem besseren…
    Die Lupa, die neben Rulfan unter dem Heizkessel lag, erhob sich und trottete zu Nefertari. Unter dem Kartentisch blieb sie stehen, senkte den Schädel und knurrte. Ihr Nackenfell sträubte sich.
    »Komm her zu mir, Chira!«, rief Rulfan. Die Lupa machte kehrt und trollte sich.
    »Warum sehe ich die Stadt nicht?« Maddrax kam zum Kartentisch, beugte sich über Kompass und Karten und ging zurück zum Fenster. »Der Himmel ist klar, Wimereux-à-l’Hauteur müsste längst zu erkennen sein, ich verstehe das nicht…!«
    Minuten vergingen, Maddrax spähte die ganze Zeit durch ein Fernrohr in die Flugrichtung. »Da steigt Rauch auf«, sagte er plötzlich. »Irgendetwas brennt dort… Zelte… ich sehe Zelte…!« Plötzlich straffte sich seine Gestalt. »Wimereux-à-l’Hauteur liegt am Boden! Die Stadt ist abgestürzt!«
    Rulfan lief zu ihm, nahm ihm das Fernrohr ab und spähte selbst hindurch. »Da wird gekämpft! Die sind nicht freiwillig gelandet, irgendjemand hat sie dazu gezwungen.«
    Daa’tan, dachte Aruula entsetzt. Es war, als würde ihr Geist unter einem tiefen Seufzer erschauern. Daa’tan und Grao’sil’aana…
    Daa’tan?, wiederholte Nefertari. Euer Sohn ist hier?
    Aruula reagierte nicht.
    Du hast versprochen, mir alles zu erzählen, wenn wir deinen Sohn gefunden haben!, fuhr Nefertari fort. Aber es war nie die Rede davon, in einen Krieg zu ziehen. Also öffne dich mir jetzt – dann sehen wir weiter.
    Die Bedingung war, dass wir Daa’tan finden und von seinem Tun abhalten, erwiderte Aruula. Ein wütender Schrei der Königin hallte durch ihren Geist.
    »Heiz den Kessel an!« Maddrax stürzte zum Steuerruder. Tiefe Sorge stand in seinen Zügen. »Hol alles aus der Dampfmaschine heraus! Wir fliegen die Stadt direkt an!« Er fixierte das Steuer und stürzte zu einem Rucksack neben der Gondelluke. Dort füllte er das Magazin einer großen metallenen Feuerwaffe, die Aruula noch nie an ihm gesehen hatte. Er schlug das Magazin in die Waffe, hängte sie sich über die Schulter und stopfte Munition in die Beintaschen seines Anzuges.
    »Wir fliegen weiter«, sagte Nefertari plötzlich. Keiner der beiden Männer reagierte. »Hast du gehört, was ich sage, Maddrax? Wir fliegen weiter!«
    Rulfan und Maddrax blickten sich nach ihr um. Beide

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