223 - Die Sünden des Sohnes
würdest mich töten. Was glaubst du, wie der König darauf reagiert? Was glaubst du, auf welche Weise er dich dann bestrafen wird?«
Der schwarze Krieger schluckte und sein Blick flog zwischen der Barbarin und seinem Kameraden hin und her. »Holen wir den Oberst«, sagte dieser schließlich.
Beide Krieger verließen die Palastküche und schlossen die Tür von außen. Die Gefangenen sahen einander an. Niemand wagte vorauszusagen, wie die Sache sich weiter entwickeln würde. Doch Aruula war sicher, dass sie auf Daa’tan einwirken konnte, falls sie die Gelegenheit dazu bekam. Allein die Erkenntnis, dass sein Busenfreund Grao versucht hatte, sie zu beseitigen und ihn zu täuschen, würde ihm einen Schock versetzen, den sie ausnutzen konnte.
Sie mussten lange warten. Vier Stunden später erst wurde die Tür erneut aufgeschlossen. Ein schwarzer Krieger mit einem großen Pfauenfederbusch auf dem Kopf trat ein. »Ich bin Oberst Mongoo. Wer behauptet hier, die Mutter des Königs zu sein?« Suchend blickte er sich unter den Gefangenen um.
»Ich behaupte es nicht, ich bin es«, sagte Aruula.
Mongoo wandte sich an die Wächter. »Schlagt ihr den Kopf ab!« Die beiden Krieger zogen ihre Schwerter und kamen auf Aruula zu. Doch so ganz und gar entschlossen wirkten sie nicht.
»Wenn ihr das tut, werdet ihr alle drei sterben!« Aruula blieb äußerlich vollkommen ruhig, obwohl sie innerlich bebte. »Frag den König, ob er eine weiße Frau namens Aruula kennt. Und wenn er zweifelt, dass ich es wirklich bin, dann sage ihm, dass ich ihm das letzte Glied meines kleinen Fingers verdanke. Kannst du dir das merken, Oberst?«
Der Krieger mit dem bunten Pfauenfederbusch verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Seine Kaumuskulatur begann zu arbeiten.
»Wenn er weder die Frau namens Aruula kennt, noch weiß, von welchem Fingerglied die Rede ist, magst du zurückkommen und mir den Kopf abschlagen lassen«, schloss Aruula.
Mongoo betrachtete sie schweigend. Er war jetzt unsicher, jeder sah es ihm an. Schließlich winkte er den Wächtern, drehte sich um und stapfte wortlos aus der Palastküche. Die beiden Krieger steckten ihre Klingen zurück in die Scheiden und folgten ihm.
Noch einmal zwei Stunden vergingen, dann wurde gegen Abend die Tür erneut aufgeschlossen und geöffnet. Diesmal stand ein hellhäutiger junger Mann mit langem dunklen Haar auf der Schwelle. Er trug einen weiten dunkelgrauen Baumwollanzug.
Der König der Huutsi.
Der Eroberer.
Daa’tan.
Seine Augen wurden groß, als er Aruula unter den Gefangenen entdeckte. »Mutter…?« Die Stimme versagte ihm schier. »Du lebst…?«
***
Am Nachmittag schickten Grao’sil’aana und Mombassa einen Arbeitstrupp der Gefangenen in die erste der beiden zerstörten Propellerstationen an der Südseite der abgestürzten Wolkenstadt. Bis zum frühen Abend ließen sie dort die Trümmer aus der Station räumen. Danach begannen sie mit der Reparatur der Dampfmaschine, die den Stabilisierungspropeller antrieb.
Grao’sil’aana überwachte die Arbeiten, während der Generalfeldmarschall mit seiner Leibgarde durch die Stadt zog. Mombassa kommandierte den Einzug seiner Truppen in die eroberte Stadt und beaufsichtigte die Verhöre der Offiziere, Hofbeamten und Ingenieure. Der Daa’mure hatte ihn angewiesen, sich mit den sozialen Verhältnissen in der Wolkenstadt vertraut zu machen. Und vor allem sollte er sich beibringen lassen, wie man ein derart großes Gebilde startete und nach dem Start in der Luft hielt.
Die Arbeiten in der Propellerstation gingen schnell voran. Noch im Laufe der Nacht, so versicherte der Erste Ingenieur dem Daa’muren, würde die Dampfmaschine für den Stabilisierungspropeller wieder arbeiten. Bis zum Nachmittag des folgenden Tages wollte er auch die Reparaturen an der zweiten zerstörten Propellerstation beendet haben. Der Mann machte sich berechtigte Hoffnungen, seinen Kopf doch noch zu retten.
Die Sonne berührte schon fast den westlichen Horizont, als Mombassa von seinem Rundgang zurückkehrte und seinem Herrn – denn als solchen betrachtete er Grao’sil’aana – Bericht erstattete. Der Daa’mure erfuhr, dass der Trägerballon, wieder an das Gasreservoir angeschlossen war und die geflickten Kammern die Nacht über aufgefüllt werden sollten.
»Die Hälfte des Lagers samt Waffen und Material haben unsere Krieger bereits auf die Wolkenstadt geschafft«, fuhr Mombassa fort. »Morgen transportieren sie die zweite Hälfte hier herauf. Außerdem müssen
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