223 - Die Sünden des Sohnes
wir morgen auch Trinkwasser und Proviant laden, bevor wir starten. Und dann sollten wir entscheiden, wie viele Gefangene wir mit in die Wolken nehmen.«
»Keine, außer höchstens zwanzig Ingenieure, Techniker, Luftschiffpiloten und Sklaven«, entschied Grao’sil’aana.
»Ich dachte eigentlich eher an Sklavinnen«, wandte Mombassa ein. »Unsere Krieger hungern nach den Weibern der Kaiserlichen. Sie sind kaum noch zu bändigen.«
Grao’sil’aana musterte den schwarzen Hünen verächtlich. Vermutlich war vor allem er es, der sich selbst kaum noch bändigen konnte. »Die Krieger sollen sich morgen nach Sonnenaufgang austoben«, sagte er. »Und du auch. Danach schaffen wir die Gefangenen aus der Stadt.«
»Also gut.« Ganz zufrieden war Mombassa nicht, doch er wagte nicht, dem Göttlichen zu widersprechen. »Allerdings frage ich mich, ob wir auch nur einen Einwohner dieser Stadt am Leben lassen können. Sie würden doch alles versuchen, um die Wolkenstadt zurück auf den Boden zu holen.«
»Selbstverständlich müssen wir sie töten«, sagte Grao’sil’aana. »Alle bis auf die Sklaven und Ingenieure, die wir mit in die Wolken nehmen. Es nicht zu tun, hieße, sie zur Zerstörung der Verankerungspyramiden und der Versorgungsstation einzuladen.«
»Gut, dann werde ich noch heute Abend entsprechende Befehle geben.« Der schwarze Hüne mit der Liionmaske auf dem Kopf rieb sich die Hände. »Hast du übrigens gewusst, dass dieser blasierte weiße Kaiser Dutzende von Weibern hat?«
»Nein.« Grao’sil’aana horchte auf.
»Sollten wir nicht wenigstens diese Weiber…?«
»Nein!«, schnitt Grao’sil’aana dem Generalfeldmarschall das Wort ab. »Und sorge dafür, dass der König vorläufig nichts von dieser Sitte erfährt!« Der Daa’mure machte sich keine Illusionen: Daa’tan würde sich davon inspirieren lassen. Jetzt, wo er nach Elloas Verrat ohne Frau war, traute Grao’sil’aana seinem Zögling sogar zu, dass er kurzerhand den kaiserlichen Harem übernahm. Der Daa’mure aber wollte die Zahl potentieller Saboteure in der Stadt auf ein Minimum reduzieren.
»Wie du meinst.« Mombassa zuckte mit den Schultern. »Hast du übrigens schon das neuste Gerücht gehört? Angeblich ist die Mutter des Königs unter den Gefangenen.«
Grao’sil’aana stand plötzlich wie festgefroren auf der Schwelle zur Propellerstation. Er glaubte sich verhört zu haben. In seinem Echsenschädel begann es fieberhaft zu arbeiten. »Vorsicht mit dem Kolben!«, rief er den kaiserlichen Ingenieuren und Technikern zu, die gerade den Kolben in die Dampfmaschine hoben. Sie gingen äußerst behutsam vor. »Und ihr da, packt mit an!« Mit herrischen Gesten winkte er ein zwei Blauröcke zu der Maschine, die in einer anderen Ecke des Raumes mit Maurerarbeiten beschäftigt waren.
Ein paar Atemzüge lang beobachtete er die viel zu vielen Männer an der kleinen Dampfmaschine; jedenfalls tat er so. Als er die Nachricht verdaut hatte, wandte er sich an Mombassa. »Ich war mit den Gedanken woanders«, sagte er gleichgültig. »Was hast du gerade erzählt?«
»Die Mutter des Königs soll unter den Gefangenen sein«, wiederholte Mombassa. »Mongoo hat das Gerücht in die Welt gesetzt, sie sei in dem abgeschossenen Luftschiff gewesen. Angeblich hat der König sie schon zu sich in den Thronsaal geholt.«
»So, so«, sagte Grao’sil’aana in gelangweiltem Ton. Eine Zeitlang standen sie schweigend und beobachteten, wie die kaiserlichen Ingenieure und Techniker die Ersatzteile in die Dampfmaschine einbauten. Grao’sil’aana dachte nach.
Die Trennung von Mutter und Sohn ging auf sein Konto. Beide hatte er belogen, betrogen und ausgetrickst, um Aruula loszuwerden. Glücklicherweise konnte Aruula das nicht wissen, da er sie in veränderter Gestalt niedergeschlagen hatte. Aber sie würde es schlussfolgern, sobald Daa’tan ihr von den Umständen ihrer »Flucht in die Wüste« erzählte. Schließlich hatte sie nicht gleichzeitig im Grab und am Nilufer sein können.
Der Daa’mure saß innerlich auf einem Haufen Eisbrocken. Er musste handeln, er musste schnell handeln.
Irgendwann wollte Mombassa mit seiner Eskorte zu seinem nächsten Routinerundgang aufbrechen. Grao’sil’aana aber hielt ihn fest. »Bleibe eine Weile hier und beaufsichtige die Reparaturarbeiten. Ich will zum König gehen und ihm vom Fortgang der Arbeiten berichten.«
Mombassa nickte, und der Daa’mure stieg die schmale Wendeltreppe zur Hauptebene der Stadt hinauf. Draußen
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