223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
ein.“
Kurzentschlossen sattelte Devlin eigenhändig ein anderes Pferd und ritt zum Cottage des Kindermädchens. Die alte Frau hielt sich, auf einem Stock gestützt, im Garten vor dem Haus auf. Sie hielt einen Korb fest, den sie augenblicklich losließ, als sie Devlin heranpreschen sah.
„Meine Güte, Master Devlin! Es ist so schön, Sie zu sehen. Ich wollte gerade einen Molketrank für die junge Frau bereiten.“
„Wo sind die beiden?“, fragte er und war im Begriff, von seinem Pferd abzuspringen, noch bevor es zum Stehen gekommen war.
„Ich passe schon gut auf die Kleine auf, Master Devlin, keine Sorge. Aber achten Sie lieber darauf, dass Sie sich nicht das Genick brechen. Ich habe Ihnen schon so oft gesagt, Sie …“
Er lief an ihr vorbei ins Haus, während sie ihm humpelnd zu folgen versuchte.
Bart saß mit sorgenvoller Miene neben dem Bett, in dem Sophie lag. Sie sah sehr blass aus.
„Mein Gott, was ist passiert?“
Überrascht blickte Bart auf. „Dev?“
Devlins früheres Kindermädchen stieß ihn mit einem knochigen Finger an. „Sie sorgen in diesem Haus nicht für solche Unruhe, Mylord. Am Ende wecken Sie noch die Kleine auf. Sie braucht ihre Ruhe. Wenn Sie sich unterhalten wollen, dann gehen Sie ins Nebenzimmer und sprechen Sie leiser.“
Devlin befolgte ihre Aufforderung, Bart stand auf und verließ mit ihm das Zimmer.
„Ist Madeleine mitgekommen?“, fragte Devlin, als sie im Hauptzimmer des Cottage standen.
„Nein, aber sie dachte … Was machst du eigentlich hier?“
„Das ist jetzt nicht so wichtig. Wie geht es Sophie?“
Bart rieb sich übers Gesicht und setzte sich auf einen Stuhl. „Sie konnte kaum noch atmen. Der Doktor sagte, Landluft sei ihre einzige Hoffnung. Dev, ich wäre nicht abgereist, wenn ich gewusst hätte, dass du nicht zu Hause bist.“
„Keine Sorge“, erklärte das Kindermädchen und kam zu ihnen. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es ihr gut geht. Sie schläft wie ein kleines Kind.“ Sie humpelte zum Herd und kümmerte sich um das Molkegetränk.
Devlin legte Bart eine Hand auf die Schulter. „Es war richtig von dir, Sophie herzubringen. Ich verspreche dir, das Kindermädchen weiß genau, was getan werden muss. Ich bin mir sicher, Madeleine und Linette geht es gut, also musst du dir keine Gedanken darüber machen. Ich ließ sie wissen, dass ich verhindert bin, aber umgehend nach London zurückkehren werde.“
„Wir hätten sie nicht allein zurücklassen sollen“, wandte Bart ein.
„Unsinn“, hielt Devlin dagegen. „Wenn jemand sich falsch verhalten hat, dann ich. Immerhin ließ ich ihr nur eine Nachricht zukommen. Ich darf keine Zeit verlieren.“
Während er zum Haupthaus zurückritt, überfiel ihn wieder dieses ungute Gefühl. Madeleine war allein, und sie kannte niemanden, an den sie sich hätte wenden können, sollte es irgendwelche Probleme geben. Er musste schnellstens zu ihr zurück. Am Herrschaftsgebäude angelangt, ließ er sich ein frisches Pferd satteln und eilte zu seinem Bruder, um ihn von der Entwicklung in Kenntnis zu setzen.
Madeleine tat so, als sei sie die Ruhe selbst, als sie neben der munter drauflosplappernden Linette saß, die völlig begeistert davon war, in einer von zwei Pferden gezogenen Kutsche zu sitzen. Jem beantwortete geduldig jede Frage der Kleinen über die Tiere, wofür Madeleine ihm dankbar war.
Sie fuhren durch ein kleines Dorf. „Es dauert nicht mehr lange“, sagte er.
Nicht mehr lange, bis sie Linette ein letztes Mal in die Arme schließen, ihr einen allerletzten Kuss geben konnte. Der traurige Abschied wäre mit Sicherheit schneller vonstattengegangen, wäre es ihr möglich gewesen, die Kleine dem Marquess in London anzuvertrauen. So aber hatte sie stundenlang Zeit, darüber nachzudenken, dass sie Linette niemals wiedersehen würde. Mit jeder Meile wurde der Schmerz ein wenig stärker.
Alles, was danach kam, schien ihr ein Leichtes zu sein. Sie würde nach London zurückreisen und sich zu Farley begeben. Sie fürchtete sich davor, ihn zu töten, doch das lag nur daran, dass es ihr ein Vergnügen sein könnte, ihm das Leben zu nehmen.
Es hätte sie der Gedanke trösten sollen, dass Devlin das Leben würde führen können, das er verdient hatte. Doch dies tat es nicht. Vielmehr tat es unendlich weh, ihn zu verlieren.
Auf einmal war hinter ihnen Hufgetrappel zu hören. Jem lenkte die Karriole in Richtung Wegesrand, um die
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