223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
auch deren Lieblingstante. Er, der Dragoner von Waterloo, war für sie der heldenhafte Onkel, obwohl er Schwierigkeiten hatte, sich ihre Namen zu merken.
Zu traurig, dass Serena keine eigenen Sprösslinge hatte. Das Schicksal wusste einfach nicht, was Gerechtigkeit bedeutete. Sie wäre eine perfekte, eine liebevolle Mutter. Ihre Enttäuschung darüber, kein Kind zur Welt gebracht zu haben, musste immens sein.
„Und du, Serena? Wie geht es dir?“
„Auch wunderbar.“ Dennoch huschte ein trauriger Ausdruck über ihr Gesicht.
Devlin drückte sie noch einmal an sich, doch Serena wollte nicht darüber reden, wie sehr es sie traf, dem Marquess keinen Erben schenken zu können.
„Meine liebe Schwägerin“, sagte er leise.
Sie riss sich zusammen und erwiderte: „Ned wird jeden Augenblick zurück sein. Willst du auf ihn warten?“
Ihm blieb nichts anderes übrig. „Serena“, wechselte er auf einmal das Thema, weil er das für angebracht hielt. „Denkst du, es würde Ned etwas ausmachen, wenn ich mir in den nächsten Tagen zwei Pferde von ihm ausleihe? Mir ist danach, im Sattel zu sitzen.“
„Du willst wieder reiten?“, fragte sie erfreut. Das letzte Mal, dass er auf einem Pferderücken gesessen hatte, war östlich von Brüssel gewesen, bei seiner Jagd auf die Franzosen. „Es wird ihm ganz bestimmt nichts ausmachen. Er wird sich sogar freuen, wenn er davon erfährt. Ich werde Barclay persönlich bitten, dem Stall Anweisung zu geben, damit du jedes Pferd bekommst, das du haben möchtest.“
„Zwei Pferde“, wiederholte er zur Sicherheit. „Ich möchte mit … mit Bart ausreiten.“
„Zwei Pferde“, bestätigte sie lächelnd.
In diesem Moment wurde die Tür zum Salon geöffnet, und der Marquess kam mit schnelleren Schritten als üblich herein.
„Devlin, schön, dich zu sehen“, sagte er zu seinem Bruder, der sofort aufgestanden war. Dann umarmte er Devlin von Herzen, was gleichfalls untypisch für ihn war.
Ned, von Kindheit an Devlins großes Vorbild, ließ normalerweise keine Gefühlsregung erkennen. Auf ihn war immer Verlass gewesen, sobald sein jüngster Bruder ihn um Hilfe anflehte, und oft genug hatte er sich in Schwierigkeiten gebracht. Diese Erinnerungen waren es auch, die bei Devlin Ehrfurcht weckten, wenn er den stets aufrecht dastehenden Ned sah. Jedes Mal, wenn er ihn betrachtete, rechnete er damit, sich den Hals zu verrenken, um zu ihm aufblicken zu können. Und es war jedes Mal ein Schock für ihn, wenn ihm wieder bewusst wurde, dass er einen halben Kopf größer war als Ned, der an den Schläfen bereits ergraute.
„Was führt dich her?“, fragte er so überrascht, dass es schien, als habe er längst die Hoffnung auf einen Besuch von Devlin aufgegeben.
„Ich wollte dich und Serena besuchen. Außerdem habe ich etwas Geschäftliches mit dir zu besprechen. Serena, würdest du uns bitte entschuldigen?“
Ned nickte ihr zu, dann ging er vor Devlin aus dem Zimmer. Als er ihm folgte, kam er sich wieder vor wie jener kleine Junge, der einmal mehr in der Bredouille steckte.
In der Bibliothek schenkte Ned zwei Gläser Portwein ein, während Devlin sich umsah. Beim Anblick der Regalreihen voller Bücher kam ihm der völlig widersinnige Gedanke, Madeleine würde vielleicht gern etwas lesen. Sicherlich keines der Bücher hier im Zimmer, sondern eher etwas in der Art jener Titel, die seine Schwestern während der Krankenwache an seinem Bett gelesen hatten.
Ned reichte ihm ein Glas. „Was möchtest du besprechen?“
Devlin trank einen Schluck und ging im Zimmer auf und ab, da er überlegte, wie er sein Anliegen am besten vortragen sollte.
„Steckst du in Schwierigkeiten?“, fragte Ned ruhig.
„Du und deine Frau, nichts anderes könnt ihr denken“, murmelte Devlin gereizt, dann antwortete er lauter: „Nein, ich stecke nicht in Schwierigkeiten.“
Sein Bruder verzog keine Miene, sondern wartete einfach nur.
„Ich bin umgezogen.“
„So?“
„In eine größere Wohnung.“
„Du brauchst eine größere Wohnung?“ Der missbilligende Unterton war nicht zu überhören.
„Die Gelegenheit war zu günstig, um sie ungenutzt zu lassen. Es ist in derselben Straße, aber viel besser.“
„Und?“
Devlin atmete tief durch. „Durch den Umzug sind meine finanziellen Mittel etwas knapp. Ich wollte dich bitten, ob du mir zum nächsten Quartal etwas zusätzlich geben kannst.“
Sein Bruder sah ihn
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