223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
einen Blick zu, mal besorgt, mal voller Stolz. Ned dagegen verzog nie eine Miene, ganz gleich, wen er ansah. Vor Neid darauf, dass Devlin anders als sein Bruder kaum einen Hehl aus seinen Gefühlen machte, wäre Serena fast in Tränen ausgebrochen. Zum Glück wurde kurz darauf der Portwein serviert, und sie konnte erleichtert die Männer allein lassen und sich mit Miss England in den Salon zurückziehen.
Dort brannte bereits ein Feuer im Kamin, damit die frische Nachtluft vertrieben wurde. Das Knistern der Holzscheite war lange Zeit das einzige Geräusch im Raum, da Miss England darauf wartete, bis Serena sich als Erste hinsetzte, damit sie selbst im Sessel Platz nehmen konnte.
„Möchten Sie einen Tee?“, fragte Serena schließlich, als sie beide saßen.
„Danke, nein, Ma’am.“
„Ich wünschte, Sie würden mich Serena nennen.“
Überrascht sah Miss England sie an. „So anmaßend würde ich nie sein.“
„Aber Sie sind Devlins Freundin, und er bedeutet uns so viel.“ Nervös strich Serena über den Spitzenbesatz ihres Kleides.
Madeleines Nerven waren auf das Äußerste gespannt, da sie inzwischen lange genug die Rolle des Gastes gespielt hatte. „Ich bin nicht Devlins Freundin.“
Was sie hier heuchelte, kam ihr noch verlogener vor als das, was sie für Farley und dessen Gäste hatte spielen müssen. Es war unverschämt von ihr, überhaupt einen Fuß in dieses Haus zu setzen, das über mehr Geld verfügte, als es Farley jemals mit ihr hätte einstreichen können, selbst wenn sie hundert Jahre lang für ihn gearbeitet hätte. Sie wünschte, sie könnte sich entschuldigen und davonrennen.
Stattdessen aber betrachtete sie die Marchioness. Was konnte eine Frau von einem solchen Stand veranlasst haben, sie zu empfangen, mit ihr zu reden und sie auch noch zu bitten, sie mit dem Vornamen anzureden? Das alles passte nicht zusammen.
Diese hübsche blonde Frau in ihrem blassblauen, mit Spitze besetzten Kleid schien sich noch viel unbehaglicher zu fühlen als Madeleine selbst. Vermutlich war der Marquess die treibende Kraft hinter der Einladung gewesen, und seine Frau musste es hinnehmen. Die Frage war nur – warum?
Ihr war überhaupt nicht damit geholfen, dass die Marchioness dasaß, als müsse sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. „Es tut mir leid, Ma’am. Ich wollte Sie nicht mit meinen Worten beunruhigen.“
Die Marchioness lächelte flüchtig. „Machen Sie sich um mich keine Gedanken. Ich fürchte, ich erweise mich im Moment als schlechte Gastgeberin.“
„Warum sollten Sie eine gute Gastgeberin sein?“, gab Madeleine verständnislos zurück. „Sie sollten nicht einmal dazu gezwungen werden, sich mit mir zu befassen.“
„Gezwungen? Ich versichere Ihnen, niemand hat mich zu irgendetwas gezwungen. Die Einladung war meine Idee.“
„Wieso?“ Diese Frage zu stellen war anmaßend, doch das Wort war ihr über die Lippen gekommen, bevor sie sich zurückhalten konnte.
Wieder wirkte die Marchioness besorgt, und diesmal war es ein flehender Blick, den sie Madeleine zuwarf und der sie beschämte. Lady Heronvale hatte sich tatsächlich alle erdenkliche Mühe gegeben, nett zu ihr zu sein. Nicht einen Augenblick war ihr ein Hauch jener Missbilligung anzumerken gewesen, die Madeleine mehr als verdient hätte.
Verlegen sah sie sich im Zimmer um, bis ihr Blick auf den Kaminsims fiel. „Sie sind aus Meißner Porzellan, nicht wahr?“, sagte sie in dem Bemühen, ein unverfängliches Thema zu beginnen.
„Wie?“ Die Marchioness wirkte noch immer bedrückt.
„Die Figuren auf dem Sims“, erklärte Madeleine. „Sie sind aus Meißner Porzellan, richtig?“
„Ja, das sind sie.“ Lady Heronvale warf ihr einen überraschten, ungläubigen Blick zu.
Madeleine lächelte sie an. „Sie sind reizend.“
Nach fast einer halben Stunde bemühter Unterhaltung kamen Ned und Devlin in den Salon. Beide schienen guter Laune zu sein, doch was das letztlich verhieß, wusste Madeleine nicht. Aber was konnte der Marquess schon Schmerzhafteres von seinem Bruder verlangen, als sie zu verlassen? Natürlich hatte Devlin gar keine andere Wahl, da ihre wahre Identität verborgen bleiben musste.
Ned ließ seinen Blick durch den Salon schweifen, dann beschloss er, sich gegen den Kaminsims zu lehnen. Durch das Feuer war es ihm vor allem an den Beinen viel zu heiß, doch er ignorierte das unangenehme Gefühl. Wichtiger war, dass er von hier aus eine
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