223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
gute Übersicht hatte und seine Position Macht ausstrahlte.
Er war froh, mit seinem Bruder in aller Ruhe reden zu können, allerdings entging ihm nicht Devlins bedächtige Art. Auch seiner Frau merkte er ein gewisses Unbehagen an, während Miss England ihm ein Rätsel war. Sie wirkte ruhig und gelassen, als würde die alles durchdringende Anspannung sie nicht berühren.
Es war so weit. Ned sah Serena in die Augen, der Frau, der er nun ihren Herzenswunsch erfüllen würde. „Miss England“, wandte er sich an Devlins Begleiterin, die nach allen Regeln des Anstands niemals dieses Haus hätte betreten dürfen. Seine Stimme war sanft, und er hoffte, dass sie sich auch freundlich anhörte.
Als die junge Frau ihn anschaute, war ihre Miene unverändert ausdruckslos.
„Was halten Sie von unserem Stadthaus?“
Für einen Moment war ihr anzusehen, dass seine Frage sie überrascht hatte, aber dann wich dieser Ausdruck einem anderen, den er nicht deuten konnte. War da etwas Spöttisches in ihrem Blick? Oder etwas Melancholisches?
„Es ist ein prachtvolles Haus, Mylord, wirklich sehr schön.“
„Es freut mich, dass Sie so denken“, sagte er lächelnd.
„Mir war nicht bewusst“, gab sie ebenfalls lächelnd zurück, „dass Sie an meiner Meinung interessiert sind.“
Das musste doch sarkastisch gemeint sein, doch sicher war sich Ned dessen nicht. Schnell ging er über die Bemerkung hinweg, räusperte sich und fuhr fort: „Im Vergleich zu Heronvale ist dieses Haus hier allerdings unbedeutend. Heronvale ist der Himmel auf Erden.“ Er sah zu Devlin. „Es war wundervoll, dort aufzuwachsen, nicht wahr, Devlin?“
Der kniff argwöhnisch die Augen zusammen. „Die Stallungen waren gut“, antwortete er verhalten.
Ned lachte und hoffte, so die Anspannung seines Bruders zu zerstreuen. „Devlin hat von Heronvale kaum mehr als einen Pferderücken gesehen. Wissen Sie, dass er Pferde liebt, Miss England?“
„Ja, das ist mir bekannt“, gab sie zurück. Ihr Lächeln wirkte wie erstarrt.
„Miss England selbst ist eine erfahrene Reiterin“, warf Devlin ein.
„Tatsächlich?“ Ned musste daran denken, wie begeistert Miss Englands Tochter auf die Pferde seiner Karriole reagiert hatte. Da war er noch der Meinung gewesen, die Kleine habe diesen Zug von ihrem Vater geerbt. „Dann haben Sie und mein Bruder ja etwas gemeinsam.“
Mit einem knappen Schulterzucken stimmte sie ihm zu.
Ned kam sich vor, als würde er mit einem Gegner fechten, der sein wahres kämpferisches Geschick nicht zu erkennen geben wollte. Vielleicht sollte er zum Angriff übergehen, anstatt noch länger zu warten und zu lauern.
Gemächlich ging er hinüber zu dem Tischchen, auf dem eine Karaffe mit Rotwein stand, und bot den anderen etwas zu trinken an. Devlin schüttelte den Kopf, Serena sagte leise: „Nein, danke.“
„Ich würde gern ein Glas nehmen“, verkündete Miss England, was Ned das Gefühl gab, als hätte jeder von ihnen die Waffe gewählt. Er schenkte ihr und sich je ein Glas ein und nahm einen kleinen Schluck.
Erster Stoß. „Wussten Sie, dass mein Bruder wohlhabend ist, Miss England?“
Sie genoss den Geschmack des Weins. „Ist jemand wohlhabend, wenn er nichts von seinem Geld ausgeben kann?“ Parade.
Nachstoß. „Dann wissen Sie, dass Devlin heiraten muss.“
„Er muss heiraten, um an sein Vermögen zu gelangen, es sei denn, Sie nehmen von dieser Forderung Abstand.“ Gut pariert, viel zu gut sogar.
„Er muss heiraten, weil sein Erbe es erfordert. Verstehen Sie?“
Miss England sah ihn nur an und nahm wieder einen Schluck Wein.
Auf einmal ließ sich Ned dazu hinreißen, seine Verärgerung offen zu zeigen. „Sein Benehmen ist unverantwortlich gewesen, völlig ungebührlich für einen Gentleman …“
„Das reicht, Ned“, unterbrach Devlin ihn und sprang auf. „Solche Dinge kannst du mir unter vier Augen sagen, aber nicht in Gegenwart von Madeleine!“
Ned machte einen Schritt auf seinen Bruder zu. „Du hast dir eine Geliebte genommen, obwohl du genau wusstest, du konntest ihr weder Kleider noch Schmuck kaufen …“
„Sie will keine …“
„Du hast ein Kind ins Spiel gebracht, Devlin, ein Kind!“ Die beiden standen sich nun gegenüber. „Noch verantwortungsloser kannst du wohl kaum handeln!“
Serena sah die Brüder entsetzt an.
„Du weißt doch überhaupt nichts, Ned. Ich sagte, ich werde mir eine Ehefrau
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