2231 - Der Klang des Lebens
den Nebel hineingleiten.
Bjazia verspürte plötzlich einen leichten mentalen Schlag. Etwas schien nach ihr zu greifen. Den anderen Quellen erging es offenbar ähnlich: Besonders Mavrip schien darunter zu leiden, aber auch Akluhi, Chaski und Vyalia verzerrten die Gesichter, als stürzten sie haltlos in die Tiefe oder litten schreckliche Schmerzen; Usnia schössen gar Tränen in die Augen. Dann verstanden sie plötzlich alle: Für einen Moment hatten ihre paramentalen Fähigkeiten ausgesetzt. Die Folge war, dass die SCHWERT ins Trudeln kam. „Was ist los?", rief Atlan alarmiert.
Aber da war alles auch schon wieder vorbei. Die SCHWERT glitt wieder sicher in die Tiefe.
„Nur eine kleine Konzentrationsschwäche", sagte Zephyda. „Es ist alles in Ordnung."
Aber nichts war in Ordnung. Das musste die Kommandantin ebenso gut wissen wie jede ihrer Quellen.
„Ich habe ein schlechtes Gefühl", verkündete Bjazia prompt unheilschwanger. „Etwas hat nach mir geschnappt, belauert uns. Unter dem Nebel verbirgt sich irgendetwas Schreckliches. Etwas Schreckliches verbirgt sich dort, etwas Schreckliches ..."
„Möge es deinen Pessimismus zuerst verschlingen, Schwester", schnitt ihr Akluhi das Wort ab.
Sie durchstießen die Nebeldecke, und unter ihnen erstreckte sich ein weites, karstiges Tal.
Bjazia bot sich ein Anblick, der nichts Schreckliches an sich hatte. Ganz im Gegenteil. Ihren Augen bot sich dar, wonach sie gesucht hatten: sechzig Bionische Kreuzer, die völlig unbeschädigt und flugtauglich wirkten. „Wir haben es geschafft!", sagte Zephyda, und ihr entrang sich ein Seufzer der Erleichterung.
„Da ist noch etwas", meldete Echophage und projizierte die Vergrößerung eines einundsechzigsten Objektes in den Raum.
Es war ein Wrack unbekannter Bauart.
Mavrip, Akluhi und Bjazia sahen einander wie auf Kommando an. Jede wollte – aus unterschiedlichen Gründen – wissen, was die anderen dachten.
Bjazia sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
3.
Die Nebelgeister
Ich kenne die Einsamkeit. Oja, ich weiß, was es heißt, für Äonen isoliert zu sein. Als ich Bekanntschaft mit ihr schloss, bewegte mich nach einer kleinen Ewigkeit der Gedanke, ob die mir verliehene absolute Unsterblichkeit wirklich ein Segen sei. Es war unerträglich, allein, schwach und bewegungsunfähig zu sein und das Denken nicht abstellen zu können. Ich musste immerfort an Arinach denken, meine verlorene Gemahlin.
Mit ihrer Vernichtung war auch mein Lebenswille erloschen. Arinach hatte mir Kraft und Rückhalt und meiner Existenz einen Sinn gegeben. Nach ihrer Erschaffung lebte ich nur für sie. Und als sie verging, starb etwas von mir mit ihr. Nur wegen dieser Schwäche war es den Schutzherren möglich gewesen, mich in dieses Verlies zu stecken, aus dem es für mich kein Entkommen gab.
Ich habe bis heute nicht begriffen, um welcherart Gefängnis es sich dabei handelte. Ich erkannte nur, dass es mir unmöglich war, daraus auszubrechen, gleich, was ich auch versuchte. Ohne S'toma war ich zu stark geschwächt und in meinen Möglichkeiten allzu sehr eingeschränkt. Ich war gewissermaßen ein Minimal-Vanidag. Von Karel keine Spur. Und ich litt Höllenqualen, weil mir Arinachs Klang nicht aus dem Sinn wollte. Sie war so schön gewesen, so geschmeidig und stark, so dominierend und doch so gefügig.
Und das, obwohl sie noch nicht einmal gelebt hatte. Es war mir nur nicht möglich gewesen, die absolute Unsterblichkeit auf sie zu übertragen.
Ich hätte vor Gram am liebsten sterben mögen. Aber das war mir nicht möglich.
Und irgendwann, nach einer schieren Ewigkeit, passierte etwas Unglaubliches.
Mein Verlies explodierte bei einem Angriff der kybernetischen Mächte. Und ich war frei. Eine mächtige Explosion, die mir jedoch nichts anhaben konnte, hatte mein Verlies gesprengt. Ich wurde zwar in meine kleinsten Bestandteile zerrissen, aber nachdem ich mich in meine Atome aufgelöst hatte, fügten sich diese wieder von selbst zusammen.
Das ist die Quintessenz meiner absoluten Unsterblichkeit: Keine Kraft des Universums vermag mich zu vernichten. Doch als ich entstand, hatte ich ... Substanz gewonnen, als hätte sich Staub an mir akkumuliert, Schwebeteilchen, Kristalle ... irgendetwas. Ich war nicht mehr vollkommen frei, ich war gebunden. Es war ein merkwürdiges Gefühl: Meine Reichweite war eigentlich nicht eingeschränkt, solange ich nicht versuchte, aus eigener Kraft das Schwerefeld des Planeten zu überwinden. Diese
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