2239 - Verrat auf der Kristallwelt
Hände und Gesicht frei ließ - trotz der Schlichtheit Ihrer Heiligkeit, der Ehrwürdigen Großen Mutter und Arkanta der Totenwelt Hocatarr, als die sie unter dem Namen Alcantara weiterhin in. Erscheinung trat, durchaus angemessen.
Doch weder Alter, Erfahrung noch Titel halfen nun. Was blieb, war die verunsicherte, aufgeregte und um Selbstkontrolle bemühte Tochter, die ihren berühmten Vater erwartete - Atlan da Gonozal...
Nicht einmal Jasmynes Leibwächter, Vertrauter und Mentor konnte ihr diesmal helfen, schließlich rang er nicht weniger mit sich und seinen Erinnerungen. Auch für ihn, der sich Catto da Calur nannte, würde es keine alltägliche Begegnung sein, sondern ein Wiedersehen, das ungezählte Erinnerungen wachrief. „Außerdem", hatte er noch am Vorabend grantig verkündet, „ist die Angelegenheit zwischen dir und ihm eine andere, bei der dir niemand helfen kann. Ich am allerwenigsten."
„Recht hast du", murmelte Jasmyne und nestelte unbewusst an den Säumen der Robenärmel.
Längst war das blutige Licht der Morgenhelligkeit gewichen, Travs Stern stieg rasch höher.
Wenige zerfaserte Wolken trieben am blaugrauen Himmel entlang, am Horizont erhob sich kurz ein dunkelbrauner Staubteufel und fiel ebenso schnell wieder in sich zusammen, wie er entstanden war. Dunkle Sichelsilhouetten kreisten hoch über dem Trichtergebäude, begleitet von vereinzelten schrillen Schreien. Irgendwo prasselten Kies und Geröll.
Die geschärften Sinne der Frau nahmen sämtliche Eindrücke mit gesteigerter Intensität wahr.
Aromatischer Blütenduft aus dem im Kelch-Innenhof platzierten Garten stieg in die Nase, die kühle Luft hatte einen süßlichen Geschmack, als Jasmyne tief ein- und ausatmete, abermals mit einem Frösteln verbunden, das sie für lange Augenblicke zittern ließ.
Atlan Mascaren da Gonozal - Kristallprinz des Tai Ark'Tussan, geboren 10.479 da Ark, aufgrund seiner mit dem Traversan-Abenteuer verbundenen zusätzlichen Tiefschlafzeit rund 23.400 Jahre alt, potenziell unsterblicher Zellaktivatorträger, Ex-Imperator, Ex-Lordadmiral der USO, Ex-Ritter der Tiefe und was der Titel und Funktionen mehr sich im Verlauf der Jahrtausende noch angehäuft haben mochten. Und mein Vater!
Das Bild ihrer Mutter, als Imperatrice Theta Ariga I. Herrscherin des Kristallimperiums und am 25. Februar 1240 NGZ ermordet, wurde vom fotografischen Gedächtnis lebensecht reproduziert, trat aus den bloßen Erinnerungen plastisch hervor und gewann Gestalt. Groß, hochgewachsen, schlank, das silberweiße Haar unter dem blassen Edelteint flngerkurz geschnitten und raffiniert unordentlich gekämmt. Ihre grünen Augen funkelten. Sie schien zu lächeln, zeigte ein ebenso aufmunterndes wie vertrauliches Zwinkern. 1142 NGZ auf Ariga geboren, hatte Theta den Schluss der MonosÄra nur in frühem Kindesalter erlebt, zählte zu den tatenhungrigen Jungarkoniden, für die das Regime der totalen Unterdrückung nur noch Lehrstoff war. Die Hypnoschulungen hatte sie nach der üblichen Grundausbildung infolge der natürlichen Aufnahmebereitschaft ihres Großhirns mit Brayour absolviert. Sie hatte vier Jahre Raumerfahrung als Kosmonautin gewonnen und war danach durch ihre Tätigkeit als Schiffskonstrukteurin auf der Orbanaschol-Werft aufgefallen.
Dann wurde ihr das Amt der Kommandant-Stellvertreterin auf dem ungewöhnlichsten Kampfraumschiff der damaligen neuen Arkonidenflotte angeboten: auf Atlans ATLANTIS. Auf dem Flug zur Großen Leere waren er und sie sich näher gekommen, sehr nahe, und diese Liebe war nicht folgenlos geblieben.
Aus weiter Ferne schien ihre Stimme zu dringen, eins der letzten Gespräche: „Nummer Acht nannte er mich immer. Es hatte Jahrzehnte gedauert, bis ich endlich dahinter kam, was er mit der Anrede meinte: Mein Vorname Theta entspricht dem achten Buchstaben des von dieser Barbarenwelt stammenden griechischen Alphabets."
Das herzliche Verhältnis zu ihren ehemaligen Arbeitgebern hatte Jasmynes Mutter auch nicht verloren, als sie kurz nach der Geburt der Tochter zunächst Mitglied in der Regierung Halifer da Polats, seit 1205 NGZ Präsident des republikanischdemokratischen II. oder Neuen Imperiums der Arkoniden, und dann ab 30. November 1215 NGZ selbst Präsidentin geworden war. Parallel dazu gewannen damals in den gestärkten Kreisen des Adels konservativere Kräfte das Sagen.
Jasmynes Frösteln verstärkte sich, denn die bevorstehende Begegnung hatte nicht nur persönliche Gründe. Als Arkanta kannte sie die diversen
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