224 - Im Turm des Warlords
in seiner Ehre und an seiner Nase verletzt fühlte.
»Es tut mir leid, Messieurs«, erwiderte ich also, »aber ich fürchte, wir werden dieser Einladung nicht folgen können.« Ich zeigte den dreien den Colt. »Ich hoffe, ihr kennt diese Art von Waffen und folgt daher meinem freundlichen Rat: Macht euch vom Acker, sonst blase ich euch das Gehirn aus dem Schädel!«
Das war natürlich maßlos übertrieben, und im 21. Jahrhundert hätte ich mit diesem Satz in der Bronx vermutlich mein Ziel erreicht, aber in der mittelalterlichen Kultur Madagaskars war mir kein rechter Erfolg beschieden. Schusswaffen waren in dieser Ära selten, und die drei Ordnungskräfte, die ja eigentlich nur ihrer Arbeit nachgingen und uns vielleicht wirklich für gefährliche Schläger und Brandstifter hielten, hatten davon offensichtlich keine Ahnung.
»Sie haben ein freches Mundwerk, Monsieur«, sagte der Oberpolizist. »Ich glaube, wir werden es Ihnen stopfen!«
Bevor sein »Allez!« verklungen war, hatte ihm eine Kugel den Säbel aus der Hand gerissen. Die Wucht des Treffers ließ ihn meterweit durch die Luft fliegen. Der ohrenbetäubende Knall tat ebenfalls seine psychologische Wirkung. Der Angriff der drei Polizisten endete, bevor er begonnen hatte.
Nur langsam kehrte der Anführer aus seiner Erstarrung zurück und betrachtete seine schmerzende Hand, die eben noch den Säbel gehalten hatte. Sein Glück, dass die Kugel sie nicht getroffen hatte; der Python riss mit seinem Kaliber .38 unschöne Löcher.
Um den Erfolg meines Schusses auszunutzen, trat ich mit vorgehaltener Waffe auf die Beamten zu und fauchte grimmig: »Der nächste Schuss zielt auf eure Köpfe, Messieurs!« Ich richtete meine Waffe auf den Schlapphut des Oberpolizisten.
Angesichts des Schocks, der ihn noch immer in den Krallen hielt, brauchte er zehn Sekunden, um einen Schritt nach hinten zu machen.
»Par bleu«, hörte ich ihn nuscheln. Er trat über seine am Boden liegende Waffe hinweg und deutete in die Gasse, aus der er und seine Männer gekommen waren. »Rückzug – sofort!« Damit wandte er sich um und rannte davon. Seine Kollegen nahmen ebenfalls die Beine in die Hand.
Yann hob den Degen des Sergeanten auf, wog ihn in der Hand und schnalzte mit der Zunge.
Salayana hatte sich inzwischen abgeregt und begann nüchtern zu denken, wie mir ihre nächsten Worte bewiesen: »Ihr müsst schnellstens von hier verschwinden! Wer die Stadtwache bedroht, ist des Todes, auch wenn Prinz Maometh im Moment nicht hier ist.«
»Maometh?« Yann schaute sie fragend an. »Ist er nicht der Statthalter des Kriegsherrn Wyluda, der im ganzen Norden wegen seiner Grausamkeit gefürchtet ist?«
»Ja.« Salayana nickte. »Sie bekriegen sich seit vielen Monden. Maometh ist Wyludas Großneffe.« Sie deutete in die Richtung, aus der wir gekommen waren. »Er beschuldigt ihn abscheulicher Verbrechen und will ihn zum Abdanken zwingen, doch Wyluda will nicht weichen. Obwohl Maometh ihm heftig zusetzt und viele Schlachten gegen ihn gewonnen hat, sind noch immer einige von Wyludas Speichelleckern in unserer Stadt unterwegs.« Sie seufzte. »Sie haben Maomeths Burg in Brand gesteckt. Daraufhin ist der Prinz aufgebrochen, um sich blutig zu rächen.«
Yann schaute mich an. Etwas in seinem Blick ließ mich stutzen – und dann begriff ich.
Ein mächtiger Warlord hatte Yann Haggard vor mehreren Monaten zwingen wollen, für seine Abwehr tätig zu werden. Er sollte mit seiner besonderen Gabe feindliche Krieger aufspüren, die sich durch unterirdische Tunnel näherten.
Dieser Warlord war eben jener Wyluda gewesen – und der Feind vermutlich Prinz Maometh. Wie die Schlacht damals ausgegangen war, entzog sich unserer Kenntnis, aber es war gewiss nicht hilfreich für Wyluda gewesen, dass ich ihm »seinen« Seher entführt hatte. Danach hatte Yann, mit meiner bescheidenen Unterstützung, das Leben des afrikanischen Kaisers Pilatre gerettet, indem er den Zeitstrahl fand, der sich vom Mars zur Erde spannte.
»Hör zu«, sagte ich zu Yann. »Meiner Meinung nach sind wir heute genug Risiken eingegangen. Ich schlage vor, dass wir so schnell wie möglich das Weite suchen.« Ich deutete auf Salayana. »Frag sie, was du fragen willst, aber tu es sofort – bevor uns der nächste Raufbold in die Quere kommt.«
»Aye«. Yann nickte. Er wandte sich unserer Thekenmaid zu. »Wir suchen eine junge weiße Frau mit rotem Haar. Sie heißt Keetje. Ihr soll die Taverne gehört haben, in der wir uns begegnet
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