225 - Kalis Kinder
Leute.
Lazer, ein reicher Plantager, der sein Glück mit dem Anbau von Baumwolle, Zuckerrohr und Tabeek gemacht hatte, bewegte sich auf Grund seines Leibesumfanges normalerweise nur sehr behäbig, wenn überhaupt. Nun aber lief er mit fuchtelnden Armen durch die Straße und brüllte etwas, das Sukmanda nicht verstand. Die Menschen machten Lazer Platz.
Der Plantager bemerkte Sukmanda, nahm etwas Tempo aus seinen Bewegungen und hielt direkt auf ihn zu. Schwer atmend und mit hoch rotem Kopf blieb er stehen. Er brauchte fast eine Minute, bis er reden konnte. »Gut, dass ich dich… schon hier treffe, Guh … ru. Ich wollte … zu dir.« Er setzte sich auf den Kühler eines alten, durchgerosteten Otoos, das am Wegrand stand.
»Ist etwas passiert, Lazer? So kenne ich dich ja gar nicht. Du musst aufpassen, dass du nicht tot umkippst.« Sukmanda legte seine Hand auf Lazers Stirn. Kalter Schweiß stand darauf.
»Ty… Tyger!«
Den Hilar durchfuhr es siedend heiß. »Sagtest du Tyger?«
»Ja, Guhru.« Es klappte wieder besser mit dem Reden. »In meinen Zuckerrohrfeldern waren mindestens zwei von ihnen. Sie haben sechs meiner Arbeiter zerfleischt. Viel ist nicht mehr übrig, das darfst du mir glauben. Wir müssen sofort los, die Bestien jagen. Sonst gibt es weitere Opfer.«
Sukmanda biss sich auf die Unterlippe. Die Tyger entwickelten sich langsam aber sicher zu einem echten Problem für Kovlam und dessen Einwohner. Die Angriffe erfolgten in immer kürzeren Abständen. Man musste sie jagen und töten, bevor sie Überhand nahmen. Wer wusste schon, wie viele von den Biestern sich in den dichten Wäldern herumtrieben!
»Tut mir leid, Lazer, ich kann heute nicht. Ihr müsst ohne mich auskommen.«
»Was?« Der Plantager starrte den Hilar voller Entsetzen an.
»Aber… aber das geht doch nicht, Guhru. Du bist unser bester Tygerjäger und du hast uns immer angeführt. Ohne deine Tricks und Listen haben wir keine Chance gegen die Menschenfresser, von denen wir nicht einmal wissen, ob Dämonen in ihnen hausen.«
»Tut mir ehrlich leid, Lazer, aber dieses Mal werdet ihr ohne mich gehen müssen. Ihr schafft es, da bin ich sicher. Ihr habt schließlich eine Menge von mir gelernt.«
»Guhru, bitte. Ich gebe dir viele Ruupas, falls es das ist, was du willst.«
Sukmanda lächelte und schüttelte gleichzeitig so energisch den Kopf, dass diese Bewegung keinen Widerspruch mehr zuließ. »Nein, das ist es ganz sicher nicht, Lazer. Ich muss etwas Dringendes erledigen, das keinen Aufschub duldet.«
»Hat es etwas mit deinem verschwundenen Sohn Kenna zu tun, den sicher ebenfalls die Tyger geholt haben? Oder ist er etwa wieder aufgetaucht?«
»Nein, Lazer. Aber es geschieht, was immer Wischnus Wille ist.« Damit ließ er den fassungslosen Plantager stehen.
Der Hilar bewohnte mit seiner Familie ein großes Steinhaus in der Siedlung der Reichen. Das brauchte er auch, denn Danara hatte vier Töchtern und drei Söhnen das Leben geschenkt. Seine älteste Tochter Triva, ein einundzwanzigjähriges, sehr hübsches Mädchen, auf das er sehr stolz war, begrüßte ihn mit tiefen Sorgenfalten auf der Stirn. »Wischnu mit dir, Papa.«
Die leichte Hoffnung, die er gehegt hatte, erlosch bei ihrem Anblick. »Und?«
Tränen traten in Trivas Augen. Sie versuchte trotzdem zu lächeln. »Es ist schlimmer geworden. Aber sieh es dir selbst an. Mama ist bei ihm.«
Sukmanda eilte in den ersten Stock des Hauses, Triva blieb ihm dicht auf den Fersen. Schon vor der Tür von Kennas Zimmer wogte ihm penetranter Sandelholzgeruch entgegen. Er trat ein. Auf dem kleinen Altar neben dem breiten, mit buntem Linnen überzogenen Bett brannte das Sandelholz, mit Weihrauch vermischt, in kleinen Schälchen. Sie standen vor einer Statue Wischnus, ebenso wie fünf Tiegel, in denen allerlei Salben angerührt waren. Auch ein paar Kerzen brannten. Danara saß am Bett ihres Sohnes – die anderen Kinder ließ sie nicht ins Zimmer – und strich ihm über die schweißnasse Stirn. Mit einem Blick sah Sukmanda, dass Kenna nicht bei Bewusstsein war.
Der Hilar trat hinter Danara, die er nicht nur wegen ihrer Schönheit auch nach vielen Jahren immer noch liebte, und berührte leicht ihre Schulter. Danaras Hand legte sich auf die seine. Dann schluchzte die Frau leise. Sie stand auf und ließ Sukmanda an das Bett.
»Es ist wieder schlimmer geworden. Meine Salben haben nicht geholfen«, murmelte er. »Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Ich bin mit meinem Sanskrit am Ende.« Er
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