2250 - Zeuge der Zeit
Nachbarin sie rüde in die Seite stieß. Die Dicke schrak hoch und riss die Augen auf.
Rhodan breitete die Arme aus. „Ich begrüße euch alle zurück. Die Stadt Kimte meldet schweres Orkewetter, aber hier oben ist der Morgen wunderbar."
Leises Gelächter. „Sehen wir zu, dass wir einen denkwürdigen Tag daraus machen. Sämtliche Teilnehmer von gestern sind wieder anwesend. Der Konvent ist hiermit wieder eröffnet."
Eine eigentümlich weihevolle Stimmung lag über dem Saal, die Rhodan mit Überraschung wahrnahm. Warum? Er wusste nicht, was über Nacht passiert war. Einige Majestäten hatten anscheinend gar nicht geschlafen, sondern nur geredet. Was immerhin die Augenringe erklärte.
Rhodan rief die ersten Rednerinnen auf - und der von Zorn diktierte Tenor, im Vorfeld scheinbar unabwendbar, wurde nicht Realität.
Er vernahm kein klares Ja, kein klares Nein. Ganz anders als Terraner oder Arkoniden.
Keine Standpunkte, keine Fehde.
Stattdessen hörte er von Barinx reden, vom Untergang der letzten Flotten, von einem Ist-Zustand, der Unterdrückung durch die Kybb hieß.
An diesem Punkt trafen sie sich alle.
Zwei Fragen formulierte der Konvent. Erstens: Aufstand oder Frieden? Zweitens: Ist es richtig, Zephyda zur Stellaren Majestät zu wählen?
So weit die Theorie. Rhodan begriff jedoch, dass er im Verfahren die beiden Fragen nicht trennen durfte. Die Motana wollten nicht über eine Sache abstimmen, sondern allein über eine Person. Zephyda oder nicht Zephyda. So einfach war das.
Die Erste, die aus ihrer Rolle fiel, war ausgerechnet Kischmeide.
Die Majestät von Tom Karthay nahm über der orangefarbenen Marke Aufstellung. „In diesen Tagen dreht sich alles um Krieg und Aufstand. Also gut, reden wir darüber!"
Sie musterte das Auditorium wie einen Feind. So als sei sie auf eine Niederlage sicher eingestellt. „Wie steht es eigentlich militärisch? Die Kybb-Cranar haben etwa zwanzigtausend Kreuzer; das ist natürlich eine Schätzung. Über die Kybb-Traken wissen wir nicht Bescheid. Aber wir haben von Trakischen Verheerern gehört, die eine ganze Flotte ersetzen. Die Traken haben vermutlich Industrieplaneten, die jeden Tag ein Raumschiff bauen. Oder die zehn alte Kreuzer umrüsten können. Wir haben dagegen - rund vierzig Bionische Kreuzer?"
Kischmeide blickte sich um, wartete auf Widerspruch, der nicht kam. „Ich gebe zu", fuhr sie fort, „ich verstehe nichts vom Raumschiffskampf. Ich weiß Bescheid über Spiegelblister und Kantblätter und über Städtebau in Orkewetter. Aber ich kenne die Berichte. Mehr als zwanzig Kreuzer wurden allein im Kampf um Baikhal Cain abgeschossen. Ein Drittel unserer Streitmacht wurde von Zephyda also bereits geopfert.
Das ging schnell, nicht wahr? Es kann jederzeit wieder passieren, und die Zeit arbeitet gegen uns. Wie sollen wir die Motana auf unseren Welten schützen? Die Kybb müssen nur ein paar Bomben abwerfen, wie wär's mit Col Trian oder mit Tembe Eins oder ..."
„Das tun sie sowieso, wenn's ihnen passt!", schrie eine Majestät dazwischen.
Ihre Stimme war nicht verstärkt. Dennoch übertönte sie Kischmeide mit Leichtigkeit.
Rhodan fiel auf, dass das Gesicht der Ruferin stark vernarbt war; er sah sie nicht zum ersten Mal, aber ihr Name war ihm unbekannt.
Er hörte jedoch das Raunen im Publikum: „... ist die von Shy Tombeyn!"
„... Kippi'va'Starrd, sie war in der Revolte von ..."
Rhodan hob beide Arme und rückte auf dem Podium nach vorn.
Augenblicklich trat Ruhe ein.
Kischmeide warf der Majestät mit dem Narbengesicht einen aufgebrachten Blick zu. „Dann werfen die Kybb eben ein paar Bomben über Tembe Eins ab", fuhr sie fort, „oder über Rah Garonde oder Shy Tombeyn, es ist egal. Dann ist der Aufstand automatisch zu Ende! Wenn es Krieg gibt, wird dies keine Stunde von Glück und Glorie. Sondern es wird eine entsetzliche Angelegenheit. Ich frage also, ganz direkt an Zephyda: Mit welchen Mitteln soll ein Aufstand oder ein Krieg geführt werden? Ich höre nur dumme hochtrabende Versprechungen."
Der Effekt ihrer Worte war immens.
Ein Raunen kam auf, ein kläglich überforderter Ton. Kischmeides Worte trafen wie Hammerschläge. „Dass wir uns richtig verstehen: Ich will ebenfalls Freiheit. Aber nicht um jeden Preis.
Wenn es Zephyda gelingt, mich von einer Chance zu überzeugen, werde ich für sie stimmen. Dann, aber auch nur dann, mag sie unsere Stellare Majestät sein! Und wenn nicht, stimme ich in diesem Konvent gegen sie. Ich erwarte von jeder von
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