2262 - Der Submarin-Architekt
Kreuzern ist keiner draußen. Was glaubt ihr? Kommen die Verfolger?"
„Egal, ob sie jetzt kommen oder später, die Schutzherrin hat den größten Fehler ihres langen Lebens begangen", zischte Zephyda. Seit unserem Aufbruch aus der Orakelstadt hockte sie zusammengekauert in dem harten Sitz. Die rote Mähne stand wild nach allen Seiten ab. Atlan wollte sie trösten, aber selbst gegenüber den Berührungen ihres Partners zeigte sie Ablehnung.
Ein Wunder war es nicht. Wir saßen mit leeren Händen da. Die Begegnung mit Carya Andaxi war anders verlaufen, als selbst Lyressea es erwartet hatte. Dass die Schutzherrin und Hüterin der Moral nicht unserer Meinung sein würde, war uns klar gewesen. Aber sie hätte in Kenntnis all dessen, was sich in den letzten 11.000 Jahren abgespielt hatte, wenigstens kooperieren können. Die Koordinaten jener Welt, auf der wir das Paragonkreuz finden konnten, stellten unser Minimalziel dar, um weiterzukommen. Carya Andaxi wusste das. „Ich verstehe eure Niedergeschlagenheit", antwortete der Submarin-Architekt der Motana. „Aber ich hatte euch gewarnt. Carya Andaxi wird nie einem Krieg zustimmen."
„Sie könnte wenigstens Verantwortung zeigen", sagte ich. „Schon damals hätte sie viel verhindern können - als relativ Unsterbliche, die sich um einen armen Teufel kümmert, der Angst vor dem Tod hat."
Lyressea stimmte mir zu, und auch Atlan und Zephyda sahen es so.
Nur Carya Andaxi dachte anders darüber, wenn sie überhaupt noch in der Lage war, über Stunden oder Tage hinweg klare und vernünftige Gedanken zu fassen. „Wir bekommen noch keine Objektortung", stellte Remo Quotost erleichtert fest. „Und es gibt keine weiteren Explosionen."
Ein Datenstrom aus Lathor traf ein. Er enthielt alle Informationen über den Vorgang. Der Ausläufer eines Hypersturms hatte eine Sonde gestreift, die daraufhin für ein paar Sekunden Hyperfunksignale ausgesendet hatte. Durch ein Kodesignal von Graugischt hatte man sie gesprengt.
Die Meldung passte gut zu der Stimmung, in der wir uns befanden. „Auch das noch!", kleidete Atlan es in Worte. „Es besteht keine Gefahr, falls du das meinst." Die Schutzsphäre des Toron Erih wackelte ein wenig, weil er sich bei seinen Worten innerhalb der Wassersäule zu uns umdrehte. „Die extremen Emissionen im Dayllar-Sektor machen eine Ortung des Signals unmöglich."
„Wenn kein Schiff in der Nähe ist!" Ich sah, wie er erschrak. Die Schuppen in seinem Gesicht wackelten. „Sollte sich durch Zufall eine Kybb-Einheit in Reichweite befinden, wird sie dem Signal sofort nachgehen."
Reichweite bedeutete in diesem Fall eine Position innerhalb der 5-Lichtjahre-Kugel der Ortungsgeräte.
Der Submarin-Architekt erkannte die Gefahr, die in einer solchen Konstellation lauerte. Hastig beschleunigte er den Gischter, trieb ihn steiler und schneller nach unten in den Ozean.
Ich wandte mich an die Schildwache. „Weißt du einen Rat?"
„Nein, Perry."
Wir kamen nicht weiter. Solange Carya Andaxi nicht freiwillig mit uns kooperierte, vergeudeten wir auf Graugischt nur unsere Zeit.
Dabei war sie eine so wunderbare Persönlichkeit, die Verkörperung hehrer Eigenschaften wie Güte und Weisheit, Sanftmut und Milde, all das, was man nach menschlichen oder humanoiden Maßstäben unter Moral zusammenfassen konnte. Aber sie lebte meilenweit von der Realität entfernt, die in politischen, wirtschaftlichen und territorialen Erfolgen rechnete.
Ich fragte mich, welche Eigenschaften Carya eigentlich für den Status einer Schutzherrin prädestinierten. Welche Fähigkeiten qualifizierten sie dafür? Ihre Friedensgaben waren klar erkennbar, aber reichte das? Die offensichtliche Ohnmacht der Schutzherrin in jedweder Konfliktsituation sprang einem ja förmlich ins Auge. Es musste mehr an ihr sein, als das bloße Auge erkennen konnte.
Ein Indiz stellte Tagg Kharzanis Vhalten dar. Er ließ die Schutzherrin seit damals jagen, statt sie in ihrer Schwäche einfach zu ignorieren. Folglich hatte er Gründe, die Herrin über den Schattenstaat so schnell wie möglich zu eliminieren. Vielleicht fürchtete er sich sogar vor ihr. Aber weshalb?
Schräg unter dem Gischter tauchte ein verwaschener Fleck blassen Dämmerlichts auf. Nach und nach schälte sich eine vage erkennbare Silhouette aus dem Dunkel der Tiefsee: Riharion lag im Licht einer Notbeleuchtung. Remo Quotost bremste ab. Langsam und fast ohne Unterstützung der Staustrahltriebwerke sank das Fahrzeug dem Rand der Plattform entgegen.
Die
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