2263 - Das Ding aus dem All
der Motoklon auf Graugischt innerhalb weniger Stunden aufgeräumt.
Die Shoziden hatten wirklich gut gezielt, als sie den Zylinderdiskus vom Himmel geholt hatten.
Atlan und ich wechselten einen kurzen Blick, triumphierend und ernst gleichzeitig. Wir wussten jetzt endgültig, was wir uns aufgehalst hatten.
Ich nahm Folie und Stift, schrieb ein paar Zeilen darauf: „Aufpassen! Das Ding schont seine Reserven für den Ernstfall. Wir dürfen es auf keinen Fall aus der Ortung verlieren!"
Atlan las es und nickte.
Aber erst einmal mussten wir wissen, wo es steckte.
Als wir die tödliche Zone von sechs Kilometern hinter uns gelassen hatten, schickte ich den Suchimpuls an sich eingeschaltete Mikrokameras. Sie sahen sich unauffällig um, suchten die Oberfläche des Gischters nach Unebenheiten oder Beschädigungen ab. Denkbar wäre es schon gewesen, dass der Motoklon ins Innere des Fahrzeugs eindrang, um es zu übernehmen.
Fast wäre uns der Klumpen entgangen. Er klebte backbord an der Heckfinne, und zwar dort, wo sie in den Rumpf überging und die Konstrukteure einen Wulst geformt hatten, um Wasserwirbel zu unterbinden. Die Echse bildete eine Verdickung des Wulstes, die von vorne her kaum zu erkennen war. Man musste schon genau hinsehen.
Ich zog ein Foto von dem Ding und zeichnete es in den Lageplan ein. Anschließend warteten wir, bis der Gischter sein regelmäßig wiederkehrendes Positionssignal abschickte. Diesmal beinhaltete es einen unauffälligen, extrem gerafften Impuls mit dem Foto und dem Plan. Von diesem Zeitpunkt an, wussten wir, dauerte es keine Stunde, bis die Bewohner des Atolls darüber informiert waren. Die erste Stunde verging. Inzwischen glitt der Gischter in einer Wassertiefe von nur noch fünfzig Metern dahin. Hier war er immerhin sechzig Stundenkilometer schnell. Fliegend hätten wir das Ziel eher erreicht, aber dann hätten wir den Motoklon möglicherweise verloren. Außerdem war das Fahrzeug so schwer beladen, dass wir es kaum in die Luft bekommen hätten.
Also hieß es ausharren, mit einem permanent flauen Gefühl im Magen, simulierten Unterhaltungen, die einen heimlichen Zuhörer glauben machen sollten, wir würden uns in den Submarinen Sphären Graugischts auskennen wie in unserer Hosentasche.
Aber selbst wenn der Kybernet uns durchschaute, uns eindeutig einer fremden Kultur von einer anderen Welt zuordnen konnte, hielt er uns immer noch für Motana aus dem Bionischen Kreuzer, der nach Arphonie gekommen war. Das machte uns für ihn interessant und ermunterte ihn zum Bleiben.
Atlan und ich tauschten weitere Botschaften aus. Wir unterhielten uns darüber, wann er in etwa zuschlagen würde. Ein Loch in die Kanzel schaffte er mit dem Desintegrator ziemlich schnell. Wir zwei stellten für ihn keine ernst zu nehmenden Gegner dar. Wenn er uns ausschalten wollte, kam der Bereich zwischen zwanzig und drei Kilometern vom Atoll in Frage.
Die Frage war, warum ein streng logisch denkendes Wesen das tun sollte. Wir starben sowieso, wenn wir das Atoll erreichten und der Kybernet den Motoschock auslöste. Egal. Um sicherzugehen, hatten wir den Treffpunkt an einen Felsen verlegt, der zwanzig Kilometer vor dem Atoll aus dem Wasser ragte. Bis dahin waren es noch knapp neun Stunden.
Wir ruhten uns abwechselnd kurz aus, tankten Energie für das, was noch vor uns liegen mochte. Unser Hauptaugenmerk galt den Mikrokameras. Wenn der Motoklon von der Stelle verschwand, schwebten wir in Lebensgefahr. Uns blieb dann nichts anderes übrig, als ein Notsignal abzusetzen, in die Schutzanzüge zu schlüpfen und uns mit unseren Handwaffen zu verbarrikadieren.
Noch aber veränderte sich nichts. Der Klumpen klebte auch am Morgen noch an derselben Stelle, reglos und stets darauf bedacht, Energie zu sparen. Er verwendete nicht einmal Elektromagnete, sondern hielt sich mit den Fingern und den Fußkrallen am Wulst fest.
Unter anderen Voraussetzungen hätte es uns Spaß bereitet, den Gischter weiter zu beschleunigen und darauf zu warten, dass der Wasserdruck den Motoklon wegriss. So aber waren wir einfach nur froh, dass wir noch lebten. Über uns wurde es hell. Demyrtle ging auf. Seit unserer Ankunft huckepack auf der ELEBATO waren vier Tage vergangen. Wir hatten jetzt auf Terra - wenn die Zeitverläufe ungefähr gleich waren - vermutlich bereits Herbst 1332 NGZ. Das bedeutete: Ein ganzes Jahr waren wir nun schon von unserer eigentlichen Heimat fort - und doch im Grunde verdammt nah dran.
Wenigstens ging es ein wenig voran.
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