2265 - Die Krone von Roewis
residiert", sagte Tadh Al Arroin unterdessen, „gilt als unantastbar. Das war und ist ungeschriebenes Gesetz! Seit Gurrad-Gedenken ist dieses Gebäude ein neutraler Ort, an dem jeder seine Meinung, missliebig oder nicht, kundtun kann. Mit der Garantie, unbehelligt von Anfeindungen zu bleiben. Und nun haben wir einen Toten. Noch dazu einen, der aus dem Kreis der Zweiundzwanzig stammt!"
Sicherheitskräfte bemühten sich, im Saal der ausbrechenden Panik Herr zu werden. Sie wurden von Gucky unterstützt, der dort einschritt, wo die Lage prekär zu werden drohte.
Doch hier, auf der Bühne, war es still. Zu still für Bulls Geschmack. Er blickte auf an die Wand projizierte Bilder, überlebensgroß, die einen grässlich verunstalteten Gurrad zeigten. Hinterkopf und Rücken des Toten waren eine einzige blutige Masse. Hunderte winzige, spitze Geschosse staken im Fleisch, ragten hässlich durch die einst wunderschöne,, dichte Mähne. „Wistap-Dornen!", sagte Al Arroin, der sich ruhig gab. „Jemand hat seinen Fön sabotiert und die Zumengungsleitungen statt mit Duschsand mit Stacheln gefüllt", fasste er die ersten Erkenntnisse zusammen, die er von einem schriftlichem Dossier ablas. „Wer ist der Tote?", fragte Bull. Er wandte seine Blicke vom Bild der entstellten Leiche ab. „Benkö Fahnler", antwortete Dinded Teif er, der Stellvertreter Al Arroins. „Ein Patriarch von altem Schlag, mehr als einhundert Jahre alt. Einer der Zweiundzwanzig, mit Stimmrecht in allen Gremien.
Benkö war eifriger Befürworter eines Zweckbündnisses mit Mantoll, solange die Folgen des Hyperimpedanz-Schocks evident sind."
„Das ist einfach... erschütternd", sagte Al Arroin. „Nicht nur, dass der Ruf der Krone von Roewis bis in alle Ewigkeit beschädigt ist; wenn uns nicht rasch etwas einfällt, ist die Konferenz als Ganzes geplatzt. Im schlimmsten Fall steuern wir direkt auf einen Bruderkrieg zu."
Bull beobachtete den Patriarchen genau. Soweit er Gestik und Auftreten des Gurrads beurteilen konnte, wirkte Al Arroin durchaus in der Lage, mit der Situation umzugehen. Aber konnte man ihm vertrauen? Meinte er es ehrlich? Er trug, so wie sein Begleiter, einen Anti-Psi-Schirm, gegen den Guckys telepathische Fähigkeiten nicht ankamen. „Wir haben während der Annäherung auf das Grosnor-System einige Informationen aus dem Funkverkehr gewinnen können", sagte der Unsterbliche. „Es gab deutliche Hinweise auf Reibereien zwischen Mantoll und Roewis. Aber ist die Situation wirklich so ernst?"
„Es geht um nicht mehr oder weniger als die politische Neuordnung der Großen Magellanschen Wolke", entgegnete Al Arroin. „Auch wenn euch das eigentlich nichts angeht. Aber vielleicht seid ihr Außenstehende gerade deshalb wie ein Geschenk der Sterne."
Nachdenklich spazierte er die Bühne auf und ab. Die sanften Schritte des Löwenähnlichen hallten ungewohnt laut wider. „Du hast Laerros, den Patriarchen von Mantoll, im Publikum gesehen. Heute ist er die Selbstsicherheit in Person. Doch vor nicht einmal einem Jahr drohte sein ganzes Reich, ein Bündnis von etwa fünfhundert Kolonien, zu kollabieren. Der technische Standard war niedrig, die Leistungsfähigkeit erschreckend gering." Al Arroin zog lächelnd die Mundwinkel hoch. „Damals hätten wir das ganze Mantoll-Imperium für einen symbolischen Preis kaufen oder durch einige Börsenspekulationen in den endgültigen Ruin treiben können."
„Das sind sehr offene Worte", sagte Bull. „Ich gebe nur wieder, was die Tentzen ohnehin aus ihren Höhlen piepsen. Ein jeder Roewis-Gurrad wusste über die Probleme der Volkswirtschaft Mantolls Bescheid." Abrupt blieb der Patriarch stehen und stampfte heftig auf. „Aber wem hätte es genützt, wenn ein Handelspartner - oder Konkurrent - geschwächelt hätte? Wären die Probleme nicht auch auf unser Reich übergeschwappt? Vielleicht hätte sich sogar das Gingaresch-Imperium mit seiner Militärdiktatur bemüßigt gefühlt, Mantoll aufzufressen - selbst wenn sein Kerngebiet mehr als zwanzigtausend Lichtjahre entfernt liegt. Und wer wollte schon ein waffenstarrendes Reich mit aggressiver Expansionspolitik zum Nachbarn haben?" Er begann seinen Spaziergang von neuem und beantwortete sich die Frage selbst: „Nein! Nichts nutzte uns mehr als ein starkes Mantoll."
„Aber der Hyperimpedanz-Schock hat alles geändert", mutmaßte Reginald Bull. „So ist es! Die lahmen, hoffnungslos überalterten Schiffe des Patriarchen Laerros erweisen sich seither als geeigneter
Weitere Kostenlose Bücher