228 - Crows Schatten
Rage, wie Margot die schwere Milchkanne festhielt, um die Milch vollständig in den Topf zu kippen. Dabei leckte sie sich die Lippen. Dem Gottesmann wurde heiß und kalt. »Ich hoffe doch sehr, sie wird dir nicht zur Versuchung werden, Bruder«, sagte er mit gesenkter Stimme.
»Bitte?« Rev’rend Lightning wurde ein wenig rot. »Aber wo denkst du denn hin!« Er lachte. »In meinem Alter sowieso nicht!«
»Dann ist es ja gut.« Rev’rend Rage wollte sich umdrehen und die Küche verlassen, doch Margot ging nun vor dem Herd in die Knie, um Holz nachzulegen, denn die Milch musste zum Kochen gebracht werden. Dabei zog sie ihr schlichtes Kleid ein Stück über ihre Schenkel. Rev’rend Rage verharrte nach einer halben Drehung. Er sah ihr herrliches weißes Fleisch, und erneut war es um seine Fassung geschehen. Rasch wandte er sich endgültig ab und verließ grußlos die Küche.
Betend stieg er die Treppen zum Obergeschoss hinauf, wo seine Privatkapelle lag. In seinem Kopf strahlte das Bild der herrlichen Frau. Ihre weiblichen Reize verursachten ihm einen Hitzeschauer nach dem anderen. »Sie wird mir gefährlich«, murmelte er. »Ich muss aufpassen, dieses Weib wird mir gefährlich.«
Er fragte sich, ob wohl der HERR ihm diese Versuchung geschickt hatte, um ihn zu testen. Eine andere Erklärung wollte ihm nicht einleuchten. Betend floh er zum Portal seiner Kapelle. Hinter ihm wollte er die Nacht fastend und betend verbringen, um der schlimmen Versuchung Herr zu werden. Er ahnte ja nicht, was noch alles auf ihn zukommen sollte in dieser schicksalsträchtigen Nacht.
Rev’rend Rage zog das Portal auf – und blieb überrascht auf der Schwelle stehen. Rev’rend Rock und Rev’rend Fire standen vor dem Altar und redeten mit den drei Kindern, die brav in der ersten Bankreihe des Gestühls saßen und aufmerksam zuhörten. Jetzt fiel es ihm wieder ein – er hatte ja den beiden Rev’rends seine Privatkapelle zur Verfügung gestellt, um den Kindern der schönen Margot Unterricht in den Gesetzen des HERRN zu erteilen.
Sofort gewann Rev’rend Rage seine Fassung zurück. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen schlenderte er zum Altar. Dort hörte er eine Weile zu, wie Rev’rend Rock und Rev’rend Fire den Kleinen ein Gebet beibrachten. Ein schönes Gebet, wahrhaftig. Immer wieder machten seine Gedanken sich selbstständig und kreisten um die schöne Frau am Küchenherd, während er versuchte, das alte Gebet innerlich mitzusprechen.
Als selbst das kleine Mädchen das Gebet auswendig hersagen konnte, lobte Rev’rend Rage die Kinder und strich ihnen zärtlich über das seidige Haar. Danach wechselte er ein paar Worte mit Rev’rend Rock. »Gute Kindchen«, versicherte der. »Sie sind äußerst gelehrig und sehr brav.«
»Sie sind ja soo lieb«, lächelte Rev’rend Fire. »Ich werde ihnen jetzt noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen, und dann bringe ich sie ins Bett.«
Rev’rend Rage war zufrieden und überließ seine Privatzelle den beiden anderen. Er verließ sie, stieg hinauf ins Dachgeschoss und zog sich dort in sein erzbischöfliches Sprechzimmer zurück. Aus dem Erkerfenster blickte er zur Straße hinunter. Rev’rend Bonebreaker stand dort und plauderte mit den bewaffneten Wachen.
Vor einem kleinen Altar kniete der Erzbischof nieder, bekreuzigte sich, betete und tat Buße für seine sündigen Gedanken.
Es fiel ihm ungewöhnlich schwer, sich zu konzentrieren. Wieder und wieder schweiften seine Gedanken ab und beschäftigten sich mit Margot, mit ihrem Haar, mit ihren schönen Augen, mit dem köstlichen Fleisch ihrer Schenkel. Er war hin und her gerissen in diesen einsamen Stunden vor seinem kleinen Altar: Einmal beschloss er, dass Margot gleich am nächsten Tag zu Yanna umziehen musste, oder wenigstens so schnell wie möglich; dann wieder nahm er die Versuchung als heiligen Kampf an, als von Gott verordneten Krieg gegen sich selbst, und dankte dem HERRN für die Versuchung; und einmal fand er sich plötzlich vor seinem große Bücherregal wieder, wo er den siebzehnten Band der »Gesetze des HERRN und des Rev’rendordens« herauszog, um nachzulesen, ob es einem Rev’rend tatsächlich verboten sei, eine Frau zu lieben und zu ehelichen.
Genau zu diesem Zeitpunkt klopfte es an seiner Tür. »Wer ist da?« Schnell schob Rev’rend Rage das Buch zurück ins Regal.
»Ich bin es, Bruder Erzbischof!«, tönte die raue Stimme des Inquisitors draußen vor der Tür.
»Komm herein, Rev’rend Torture.« Rev’rend
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