2282 - Der Traum des Thort
Vibrationsalarm ausgelöst. „Perry", erklang Kommandant Abrolats Stimme aus den Akustikfeldern, „es ist so weit!
Wir haben ein Problem am Hals!
6.
Ich hatte mich für die Holokonferenz neben der Funkzentrale aufgehalten. Keine Viertelminute später stürmte ich in die Hauptzentrale.
Was ich in der Ortung sah, traf mit wie ein körperlicher Schlag. Ich hatte es befürchtet, aber dennoch weit von mir geschoben. „Für das Wegasystem wurde Vollalarm ausgelöst!", rief mir der Kommandant entgegen. „Die Einheiten der ferronischen Heimatflotte riegeln ihre Planeten endgültig ab; die letzten Wachschiffe heben im Alarmstart ab." In der dreidimensionalen Wiedergabe, die von der Hauptpositronik aus den Ortungsdaten hochgerechnet wurde, entstand die Form eines Sechseckprismas. Den Einblendungen zufolge betrug dessen Länge 250 Meter, die Breite jedes Seitensegments etwas mehr als 130 Meter. Dieser Wabenraumer war eindeutig ein Traponder der Kybb-Traken, und ich zweifelte nicht einen Augenblick lang daran, dass sie ihn als Aufklärer einsetzten.
Der Traponder war am Rand des Systems aus dem Hyperraum gefallen und flog mit unverminderter Geschwindigkeit und gleich bleibendem Sonnenabstand weiter. Die Kybb dachten gar nicht daran, sich der Wega weiter zu nähern.
Die schlimmsten Szenarien drohten in diesen Sekunden zur Gewissheit zu werden. Egal, weshalb die Kybb-Traken ausgerechnet vor der Wega erschienen waren - selbst wenn sie von der Anwesenheit der terranischen Flotte nichts gewusst hatten -, spätestens jetzt mussten ihre Ortungen ein Feuerwerk von Anzeigen liefern. Damit rückte die Heimat der Ferronen unwiderruflich in den Brennpunkt der gegnerischen Aufmerksamkeit.
Wir mussten versuchen zu retten, was noch zu retten war.
Mit wenigen schnellen Schritten stand ich neben Abrolat. Der Kommandant hatte schon den Rundruf über Hyperkom aktiviert, der unsere schnellen Abfangeinheiten ansprach. „Den Traponder der Kybb kompromisslos abschießen!", befahl ich.
Die ersten unserer Schiffe gingen bereits in den Linearflug. Augenblicke später erschienen sie nur wenige Lichtsekunden von dem Traponder entfernt.
Kostbare Sekunden verstrichen, bis die Transformgeschütze feuerten.
Gleichzeitig verschwanden die Kybb aus der Ortung. Für einen flüchtigen Augenblick hatte ich die aberwitzige Hoffnung, dass die Transformsalven ihr Ziel gefunden hatten, dann traf die Meldung ein, dass der Traponder in den Hyperraum entkommen war.
Ich zweifelte nicht daran, dass die Kybb ins Solsystem flogen.
Interessierte die Kybb-Titanen und Gon-Orbhon, wohin sich die terranische Heimatflotte zurückgezogen hatte? Oder ging es dem ehemaligen Schutzherrn wirklich nur um Sol und ihre 6-D-Komponente?
Die Flotte hätte sich jederzeit zurückziehen können. Zwanzig oder dreißig Lichtjahre Distanz zur Wega hätten ausgereicht, uns eine weitere Atempause zu verschaffen. Doch den Ferronen stand diese Option nicht zur Verfügung, und schon deshalb kam eine überstürzte Flucht für mich nicht in Betracht.
Vielleicht reagierten die Kybb überhaupt nicht. Jedenfalls solange wir Gon-Orbhon nicht direkt herausforderten.
Also weiterhin abwarten und den Einbau der Dissonanz-Geschütze forcieren? Ignorieren, dass auf den Welten des Solsystems mittlerweile alle Hoffnungen starben? Das konnte ich nicht. Was die nächsten Tage und Wochen auch bringen würden, ich brauchte zusätzlich zur Heimatflotte schlagkräftige Schiffe. Möglichst solche, die ihre Effektivität im Einsatz gegen die Kybb schon bewiesen hatten.
Bei diesen Überlegungen angelangt, schickte ich einen Hilferuf nach Jamondi. Hoffentlich würde Atlan ihn erhalten. Auf die Meldung vor nunmehr vier Tagen, dass wir die Wega erreicht hatten, war keine Antwort veranlasst gewesen. Also konnte ich nur darauf vertrauen, dass der Hyperfunkspruch über die Relaissatelliten in Jamondi weitergeleitet und verständlich empfangen wurde.
Mit wenigen Worten schilderte ich die Umstände. Ich bat Atlan und Zephyda, mehrere mit Vernetzern optimierte Bionische Kreuzer zur Wega zu schicken. Für den Fall des Falles ...
Sofort danach - seit dem Verschwinden des Traponders waren mittlerweile dreißig Minuten vergangen - versuchte ich, Thort Kelesh zu erreichen. Bildete ich mir nur ein, dass mit dem Erscheinen des Traponders zwischen uns so etwas wie ein stillschweigendes Agreement zustande gekommen war? Die Landung unserer Schiffe auf dem Areal des LFT-Stützpunkts konnte uns niemand streitig
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