2285 - Tag der Verkündung
Zirkus mit den Blicken verschlungen worden war; die gewiss jeden haben konnte, der ihr gefiel; die er heute in einer aus dem Archiv angeforderten Reportage von der Eröffnung des Wiener Opernballs bewundert hatte; dieses Wunderwesen aus der Kulturund Schicki-Szene gab ihm zu verstehen, dass es mit ihm ...
Sie hatten sich vorgestern kennen gelernt. Ganz zufällig, hier in der Bar, die er oft nach Dienstschluss aufsuchte, weil sie gleich ums Eck von der Außenstelle lag. Ashanty hatte ihr Glas verschüttet, dabei seinen Ärmel benetzt, sich entschuldigt und ihn, nachdem sie ins Gespräch gekommen waren, quasi als Wiedergutmachung in den Circus Rochette eingeladen.
Falls es ihr ausginge, hatte sie versprochen, würde sie heute nach der Vorstellung nochmals vorbeischauen. Pepi war sicher gewesen, sie nie mehr wiederzusehen.
Doch da saß sie, neben ihm, auf demselben Hocker wie vorgestern, und saugte am Plasthalm in ihrem Cocktail. Diese sinnlichen, vollen roten Lippen ...
Sie hob die Augenbrauen. „Na?"
„Äh ... Tja, vielleicht noch was trinken, und ... dann ins ...". Er räusperte sich und vollendete kaum hörbar: „... Bett?"
„Guter Plan", sagte sie weich. „Deines oder meines?"
Sie landeten bei ihm, da sie angedeutet hatte, dass ihre Bude nicht sturmfrei war. Zum Glück hatte er am Morgen aufgeräumt, für den unwahrscheinlichen Fall der Fälle, und auf dem Weg in die Dienststelle eine Flasche Schampus erstanden.
Als sein Engel ihn ins Schlafzimmer schob und lasziv zwinkernd im Bad verschwand, war Pepi schon ein wenig angesäuselt. Hatte Schwierigkeiten, die Socken auszuziehen, weil sein Blick verschwamm. Legte sich, nachdem er es endlich irgendwie geschafft hatte, schon mal aufs Bett...
Er erwachte allein. Und nackt. Auf dem Speckwulst über seinem Bauchnabel prangte ein Kussmund aus rotem Lippenstift.
Im gleichen Farbton blinkte am Bildschirm seines Computers eine Botschaft: Du warst wunderbar, Pepi, mein Stier! Niemand hat mich je auf diese Weise glücklich gemacht.
Dennoch muss es leider bei dem einen Mal bleiben. Du darfst auch niemandem davon erzählen.
Mein Mann, der Messerwerfer, ist schrecklich eifersüchtig. Danke, du Spitzenagent. -Ciao, Ashanty.
Pepi Hoff a schwor sich, diese Textdatei in seinem ganzen Leben nicht zu löschen.
61.
„Guten Tag, ich suche das Ordinariat des Adjunkten Haakon Sterring. Bin ich hier richtig?"
„Falls es wegen des Sprechchors ist -wir haben bereits genug Anmeldungen."
„Mir wurde nur mitgeteilt, dass ich im Ordinariat vorstellig werden soll. Ich heiße Matti di Rochette."
Valerie Bozen blickte von ihren Unterlagen hoch - und hatte Mühe, nicht lauthals aufzulachen.
Der Mann sah aus wie ein Clown, obwohl er nicht geschminkt war. Aber die Knubbelnase, die Halbglatze, vor allem der orange, buschige Haarkranz ... „He, ich kenne dein Gesicht von einem Inserat. Du bist beim Zirkus, nicht wahr?"
„Der Direktor", sagte er würdevoll.
Abermals kämpfte Val mit dem Kichern. „Moment. Wie schreibt man das?"
„D-I-R-E ..."
Sie begann zu tippen, hörte gleich wieder auf. „Nein, deinen Namen, du Komiker."
„Artist, bitte schön. - Rochette, wie die erste Silbe von Rochade und die beiden letzten von Raclette. Allerdings ohne 1."
Genug geblödelt, befand Valerie. „Verarschen kann ich mich selbst. Willst du, dass ich dich wegen Renitenz gegen ein Organ der Kirche Gon-Os anzeige?"
Nachdem er kleinlaut buchstabiert und sie seine Akte aufgerufen hatte, erklärte sie dem stark transpirierenden Clown, was Sterring zusätzlich darin notiert hatte: „Da steht, die >Fliegenden Rochettes< sollen die feierliche Zeremonie am Tag der Verkündung eröffnen. Mit einem Vulkanausbruch. - Hast du was? Ist dir nicht gut?"
Der Zirkusdirektor rang nach Luft. Sein Gesicht war knallrot angelaufen. Er brachte kein Wort heraus.
Typisch für diese Künstler-Mimosen! Kaum schmierte man ihnen nicht Honig ums Maul, verfielen sie in Hysterie.
Val befasste sich seit Tagen mit der Organisation des Festakts. Die ständigen Wehwehchen der vorgesehenen Mitwirkenden standen ihr schon bis zum Hals.
Sie blätterte in der Datei. „Adjunkt Sterring ist auf eine alte Idee eines hiesigen Veranstaltungs-Managers gestoßen. >Magma-Surfen< auf Lavaströmen, im Rahmen einer simulierten Eruption.
Deine Truppe besteht doch aus Akrobaten, oder? Traust du ihnen das zu?"
„Grundsätzlich schon... Ob sich das bis zum Fünfzehnten vorbereiten lässt, ist allerdings
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