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2285 - Tag der Verkündung

Titel: 2285 - Tag der Verkündung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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zu melden; der moderte im Grab.
    Wer also würde Don Miguele beerben? Er.
    Mario Modesto besaß keine sonderlich schöne Stimme. Nichtsdestotrotz beschloss er zu singen, was seine Lungen hergaben.
    Zwischenspiel: Heulen und Zähneknirschen „Ach Millitron ... zuweilen beneide ich dich um deine beschränkte, wohl geordnete Existenz."
    Ich verstehe die Worte, doch deren Sinn bleibt mir verborgen. Neid empfinden gewöhnliche Sterbliche vieler Völker im Kosmos, nicht aber Roboter oder Höhere Wesenheiten wie mein Herr und Gott. Und seine Existenzform ist von meiner so unvergleichlich verschieden, dass keine wie auch immer geartete Relation zwischen ihnen hergestellt werden kann.
    Die Schuld an dieser fehlerhaften Kommunikation liegt bestimmt nicht bei Gon-Orbhon, sondern bei mir. Meine artifizielle Intelligenz ist einfach zu minderwertig, um seiner höheren Logik folgen zu können. „Was, treuer Millitron, würdest du beispielsweise mit unserem vierten, nicht eingesperrten Besucher anstellen?"
    Er bezieht sich, so viel immerhin kann ich entschlüsseln, auf Tagg Kharzani, den ehemaligen Herrscher von Arphonie. Niemand sonst darf sich frei im Stock-Relais bewegen. „Was mir aufgetragen wird", artikuliere ich das Selbstverständliche. „Siehst du? Uns ordnet niemand etwas an. Wir müssen alle Entscheidungen ganz allein treffen.
    Und im Fall Kharzani fällt uns dies exorbitant schwer."
    Gon-Orbhon weint. Ob ihm gerade der Sinn nach Augenreinigung steht oder es ihm nur gefällt, eine bei Terranern häufig auftretende Emotion zu parodieren, vermag ich nicht zu beurteilen. „Einst standen wir auf einer Stufe", schluchzt er, „als Schutzherren von Jamondi. Ich selbst habe Tagg Kharzani verführt, zum Verrat am Orden angestiftet und ins Verderben gestürzt. Nun kriecht er durch die Gänge und Kammern im Quarz, ein ekelhaftes, wimmerndes Wrack. Wann immer ich ihn aus meiner geistigen Kontrolle entlasse, fleht er um sein Leben. - Soll ich's dir beweisen?"
    Wieder eine Frage rein rhetorischer Natur, da ihre Beantwortung mir nicht zusteht. „Der Schaumopal von Baikhal Cain hat seinen Alterungsprozess angehalten. Doch diese Quelle ist versiegt und Schloss Kherzesch vernichtet. Seither verschlechtert sich sein Zustand unaufhaltsam. Sieh doch, Millitron, sieh!"
    Auf allen vieren schleppt sich das humanoide Wesen herein, das zu den Mächtigsten im Sternenozean gezählt hat. Tagg Kharzani besitzt nicht einmal mehr genügend Kraft, den Kopf zu heben. „Gib mir ein Schiff", krächzt er den kristallinen Boden an, „das mich nach Amringhar und zu Satrugar bringt. Nur der dauerhafte Aufenthalt im Nocturnenstock kann mich retten."
    Mein Herr und Gott kniet nieder, beugt sein edles Haupt zu der verzerrten Fratze. „Du redest Unsinn", jammert er, Kharzanis Tonfall perfekt nachahmend. „Abgesehen davon, dass wir keinen Kybb-Titanen erübrigen können, würdest du den Flug nicht überstehen. Du hättest mindestens einen Monat lang keinerlei Kontakt zu Hyperkristall. Das Stock-Relais dagegen gehört zu Satrugars Leib."
    „Ich spüre die Wirkung, doch sie ist zu schwach und reicht nicht aus. Ich verende, Gon-Orbhon, verfaule innerlich. Sei mir gnädig! Wenn ich hier bleiben muss, ist das mein Tod."
    „Du hast dir die Unsterblichkeit erschlichen", greint der vor Kraft und Gesundheit strotzende Hüne mit der Stimme seines schwächlichen Widerparts. „Zahl den Preis dafür und hör auf, mich zu belästigen!"
    Mit seinen spindeldürren Armen umfasst Kharzani die muskulösen Unterschenkel meines Herrn und Gottes. Dieser befreit sich mit einer heftigen Bewegung, springt auf und versetzt dem Elenden einen Tritt. „Genug. Erhebe dich und geh!", befiehlt er mit seiner eigenen, perfekt modulierten Stimme.
    Ein Ruck fährt durch Kharzanis am Boden liegenden Körper. Seine Pupillen verdrehen sich.
    Steif steht er auf, stakst hinaus, gebückt und schief - so fragil, als bestünde er aus dünnem Glas und zerbräche augenblicklich in Stücke, hielte ihn nicht Gon-Orbhons Mentalenergie aufrecht. „Seine Anwesenheit zehrt an meinen Nerven. Jedoch kann ich mich nicht dazu überwinden, ihn zu beseitigen. Begreifst du, was mich quält, Millitron? - Nein, natürlich nicht."
    Wenn er sich die Antworten gleich selber gibt, erspart er mir aufwändige Kalkulationen. Da ich darauf programmiert bin, unnütze Verschwendung von Rechenkapazität zu vermeiden, bewerte ich dies als positiv. „Unzweifelhaft steht fest, dass Tagg Kharzani ganze Arbeit geleistet hat.

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